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Urheber stärken, warum nicht?

Ich verstehe in diesem Beitrag das Urheberrecht als rechtliches Instrument, das bestimmte Tätigkeiten fördern soll. Diese Förderung wird von der Gesellschaft nicht als rein symbolischer Akt gewährt, denn es muss einen Grund geben, wieso eine bestimmte Gruppe gefördert wird, eine andere hingegen nicht. Dementsprechend erwartet die Gesellschaft, dass das Recht auch den gesellschaftlichen Zweck bestmöglich erreicht. Das Urheberrecht funktioniert im Prinzip als eine Art Wettbewerbsverbot: Indem man dem Urheber ein Ausschließlichkeitsrecht gewährt, wird es Dritten verboten, die Leistung des Urhebers ohne dessen Zustimmung zu übernehmen. Man kann dem Urheber keinen Wettbewerb mit dem gleichen Werk machen, darf aber durchaus ein ähnliches Produkt auf den Markt bringen, solange man nicht gegen das Recht des Urhebers verstößt.

Allerdings hat man dieses Recht aufgrund einer verfehlten Parallele zum Eigentum an körperlichen Sachen als eine Art Handelsgut ausgestaltet, das der Urheber — soweit es um die wirtschaftliche Verwertung geht — auf Dritte übertragen kann (und zwar so, dass der Erwerber sogar dem Urheber die Verbreitung seines eigenen Werks untersagen und auf das Angebot des Erwerbers verweisen kann). Wenn man dem Urheber ein Ausschließlichkeitsrecht gewährt, besteht aber kein Anlass, das Recht so zu gestalten, dass es durch die Möglichkeit der Übertragung auf den Verleger im Ergebnis zweckentfremdet wird und sich auf lange Frist gegen die an sich Geförderten wenden kann. Es gibt auch keinen Zwang, den Schutz des Urhebers und des Verlegers gleich oder die Rechtsposition des Urhebers übertragbar zu gestalten.

Vorschlag

Folgender Vorschlag aus dem Jahr 2010 geht über ein bloßes Verbot der Buy-Out-Verträge hinaus, betrifft aber natürlich hauptsächlich die freiberuflich tätigen Urheber.

  • Urheber bekommen einen Exklusivrecht für eine begrenzte Frist, innerhalb derer sie ihre Werke verwerten können. Da die Mindestdauer des Urheberrechts über eine Vielzahl von internationalen Abkommen fixiert ist, wird diese in diesem Vorschlag nicht in in Frage gestellt, obwohl sie deutlich zu lang ist. Der Entzug der Möglichkeit, auf ein Recht vertraglich zu verzichten, würde für die bedachte Gruppe der tätigen Urheber keine unzulässige Aufopferung einer vorteilhaften Position (im Sinne des Art. 14 GG) darstellen.
  • Verleger sollen keine exklusiven Rechte auf Dauer erwerben können. Für die Erstveröffentlichung kann der Urheber einem Verleger einen Zeitvorsprung von maximal sechs Monaten einräumen. Ab dann fällt das Recht wieder zwingend an den Urheber zurück. Er kann ab diesem Zeitpunkt — wenn er mit seinem Verleger zufrieden ist — mit diesem weiterhin zusammenarbeiten, aber auch weitere einfache Lizenzen anderen Verlegern einräumen oder sein Werk selbständig vertreiben. Auf diese Art wird sicher gestellt, dass der Urheber Herr über sein Werk bleibt.

Hintergrund

Die Verlegerleistung ist die eines typischen Händlers oder Produzenten, der unterschiedliche Güter einkauft und nach Verarbeitung wieder verkauft, indem er unter Wettbewerbsbedingungen die Preise und die Qualität entsprechend den Marktbedingungen gestaltet, eine der Nachfrage entsprechende Menge herstellt oder herstellen lässt und sich um den Absatz kümmert. Es handelt sich um Tätigkeiten, die unter Wettbewerbsbedingungen normalerweise besser und günstiger erbracht werden. Dass dies auch in den Verlagsbranchen möglich ist, sieht man daran, dass Verleger auch viele gemeinfreie Werke ohne Ausschließlichkeitsrecht auf den Markt bringen (Beipiel). Die Verleger lassen sich die ausschließlichen Rechte vor allem deshalb übertragen, weil sie auf diese Art mehr verdienen (die Frage ist nur, zu Lasten der Urheber oder der Konsumenten?).

Die meisten vom Urheberrecht erfassten Werke haben einen Produktlebenszyklus wie Modeartikel. Kurz nach der Markteinführung ist die Nachfrage und die Bereitschaft, einen überdurchschnittlich hohen Preis zu bezahlen, am größten. Das kann man daran festmachen, dass nur wenig alte Filme im Kino gezeigt werden, dass selten alte Lieder die Charts stürmen, dass die meisten Bestseller Neuerscheinungen sind oder dass in der Tageszeitung von gestern die Fische … Außerdem müssen in derartigen Konsumgüterbranchen Wettbewerbsangebote üblicherweise deutlich preisgünstiger sein, damit sie überhaupt eine Chance am Markt haben. Ein bedeutender Teil der Neuerscheinungen ist nach einigen Monaten kaum noch an den Mann zu bringen (zumindest nicht von demjenigen, der es einige Monate lang erfolglos versucht hat). Ein ruinöser Wettbewerb ist unter diesen Bedingungen unwahrscheinlich, denn der Erstanbieter hat zwei bedeutende Vorteile, die in vielen anderen Branchen fehlen.

Allerdings muss auch für die Verleger ein Anreiz zur Erstveröffentlichung bestehen, was nicht unbedingt gewährleistet erscheint, wenn sie keine besonderen Vorteile für die Erstveröffentlichung erhalten. Produktneueinführungen sind in vielen Branchen mit besonderen Kosten verbunden. In den meisten Fällen ist aber die kurzfristige Alleinstellung nach der Erstveröffentlichung vollkommen hinreichend (First Mover Advantage): Der Zeitvorsprung erlaubt die Befriedigung der ersten Nachfrage zu einem höheren Preis, mit dem sich die besonderen Kosten und Risiken amortisieren lassen. Die Position des ersten Verlegers wird weiter gesichert durch die Erfahrung, dass Nachahmerprodukte (sog. Me-Too-Produkte) üblicherweise deutlich preisgünstiger sein müssen, um überhaupt am Markt eine Chance gegen den Erstanbieter zu haben.

Umgekehrt sorgt die Möglichkeit des Wettbewerbs nach der angemessenen Zeitspanne von sechs Monaten dafür, dass der erste Anbieter nur für marktgerechte Angebote im Interesse der Urheber und der Konsumenten belohnt wird. Der Zeitvorsprung des Erstverlegers muss aber enden, bevor die Nachfrage üblicherweise bereits weitgehend gesättigt ist. Andernfalls kann der Alleinanbieter nicht mit besseren Leistungen von Wettbewerbern eingeholt werden und die Vorteile des Wettbewerbs entfallen. Es muss nicht tatsächlich zu Wettbewerbsangeboten kommen, sie müssen aber möglich sein.

Wirkung

Das bedeutet, mit Ausnahme der kurzen Frist für die Erstveröffentlichung, ein absolutes Verbot der dauerhaften Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte. Vertragliche Konstrukte zur Umgehung des Verbots wie Vertragsstrafen, Abnahmeverpflichtung für die nicht verkaufte Restauflage, Optionsrechte etc. müssten nichtig sein. Wenn andere Verleger der Meinung sind, sie könnten das Werk im Rahmen eines Preis- und Leistungswettbewerbs zu besseren Bedingungen anbieten, sollte ihnen dies nach Ablauf der kurzen Frist nicht mehr verwehrt werden.

Außerdem würde der Unsitte vorgebeugt werden, dass Verleger sich alle denkbaren Rechte abtreten lassen, die sie hinterher in aller Regel sowieso nicht ausnutzen. Einen geschenkten Gaul nimmt der typische Verleger gerne mit: Sich Rechte abtreten lassen und die Rechte dann zu halten, kostet nichts (außer den Unterschriften auf dem Vertrag). Und wenn die Rechte nicht ausgenutzt werden und zurück gegeben werden müssen, kostet die Rückgabe auch nichts außer den Unterschriften auf dem Vertrag.

Wenn man dem Erstverleger keinen dauerhaften Wettbewerbsschutz gewährt, bedeutet dies nicht, dass man dem Urheber die Möglichkeit nehmen muss, nach Ablauf der kurzen Frist Honorar für seine Arbeiten zu verlangen, sondern zunächst nur, dass andere Interessenten mit dem Urheber über einfache Nutzungsrechte verhandeln können. Wenn sie dem Urheber ein Angebot unterbreiten, das aus seiner Sicht vorteilhaft ist, kann er es annehmen.

Wettbewerber werden dem Urheber in der Regel dann Angebote unterbreiten (oder von Urhebern akzeptieren), wenn sie vermuten, dass der Erstverleger ein Marktsegment nicht bedient, obwohl dort ebenfalls Gewinne erzielt werden können, oder wenn der Erstverleger außergewöhnlich hohe Gewinne erwirtschaftet. Die Wettbewerber können dann das gleiche Werk gegen die Zahlung eines Urheberhonorars ebenfalls verlegen. Es bestünde zumindest die Chance, dass die Verleger mit ihren Leistungen im Wettbewerb stehen, ohne dem Urheber die Möglichkeit zu nehmen, auch am finanziellen Erlös der Nachahmerprodukte beteiligt zu sein. Nur noch der Urheber wäre Monopolist, während die Verleger unter Wettbewerbsbedingungen arbeiten müssten. Eine Verminderung des Verlegerschutzes bei unverändertem Urheberschutz würde zu einer Erhöhung des Urhebereneinkommens bereits bei der ersten Veröffentlichung führen. Die Markteintrittsmöglichkeit konkurrierender Verleger würde sowohl die Konsumentenrente als auch das Urhebereinkommen erhöhen.

Ob die Urheber auf entsprechende Angebote eingehen, ist nicht absehbar. Mangelhafte Verlegerleistungen oder ein schlechter Absatz des Werks dürften den Anreiz für den Urheber erhöhen, Angebote von Wettbewerbern zu akzeptieren. Verleger bringen außerdem in aller Regel eine Vielzahl von Produkten auf den Markt und ihr Interesse an der Vermarktung einzelner Werke lässt aufgrund des Produktlebenszyklus nach kurzer Zeit nach, weil neue Werke eine bessere Rendite bei gleichem Aufwand versprechen. Das bedeutet aber nicht, dass damit zugleich das Interesse der Urheber an der Vermarktung erloschen ist. Wenn der Erstverleger das Potential des Werkes hingegen gut nutzt, werden Urheber weitere Angebote ablehnen, weil diese angesichts guter Leistungen des Erstverlegers vergleichsweise schlecht ausfallen werden. Wenn der Erstverleger nachfragegerecht anbietet oder Wettbewerber nur eine geringe Nachfrage vermuten, ist auch der Anreiz, Wettbewerbsprodukte zu veröffentlichen, niedrig.

Da jederzeit Wettbewerb möglich ist, werden die verlegerischen Leistungen besonders gefordert. Die Verleger produzieren nicht mehr in einer gesicherten Monopolsituation, sondern bei jedem Werk in einer angreifbaren Stellung. Der Anreiz, Größenvorteile durch günstigere Angebote auf allen möglichen Vertriebswegen auszunutzen, wäre im Interesse der Konsumenten und Urheber erhöht. Der Erstverleger hat durch eine entsprechende Gestaltung seines Angebots weiterhin die Möglichkeit, Alleinanbieter zu bleiben. Wenn man keine dauerhaften Rechte hat, kann man die Marktführerposition nur sichern, wenn man den Urhebern und zugleich den Konsumenten das beste Angebot unterbreitet, denn entweder gewinnt man keine neuen Urheber, die man aber braucht, weil sich auf Dauer nur mit neuen Werken erhöhte Gewinne realisieren lassen, oder keine Kunden. Zugleich gibt man dem Urheber deutlich mehr Verhandlungsmacht, da er einen seiner Meinung nach unzureichend agierenden Verleger unter Druck setzen kann. Der geringe Absatz eines Werkes ist nicht zwingend gleichbedeutend mit dem Umstand, dass die Nachfrage zu gering ist. Es ist genauso möglich, dass der Verleger kein marktgerechtes Angebot erstellt hat.

Dies kann dazu führen, dass der Erstverleger möglicherweise Schwierigkeiten mit dem Absatz bekommt. Allerdings ergibt sich das Problem des Nichtabsatzes in aller Regel entweder aus der sowieso nicht bestehenden Nachfrage oder dem nicht nachfragegerechten Angebot des Verlegers. In beiden Fällen handelt es sich um ein selbstverschuldetes Problem des Verlegers, der in einer auf Wettbewerb basierenden Marktwirtschaft nur dafür belohnt wird, dass er nachgefragte Produkte im Hinblick auf Preis oder Qualität marktgerecht anbietet (und keine Ladenhüter). Damit würde die Gestaltung aber ihren Zweck erfüllen. Die Verleger stünden mit ihren Verlegerleistungen im Wettbewerb, hätten jedoch nicht den komparativen Nachteil, dass nur einer der Verleger den Urheber bezahlt. Jeder andere Anbieter müsste sich ebenfalls mit dem Urheber einigen, denn das Recht des Urhebers bleibt ja bestehen. Ungeeignete Unternehmer würden mit der Zeit ausscheiden mit der Folge der besseren Allokation der Ressourcen. Die Urheber wären an den einzelnen Verwertungen ihrer Werke beteiligt, während die Monopolnachteile gemindert und die Größenvorteile vermehrt an den Konsumenten weitergegeben werden könnten, ohne dem Urheber die Werkherrschaft zu nehmen.

Ein charmantes Modell: Auch wenn eine Verminderung der Möglichkeit, langfristige exklusive Rechte zu erwerben, von den kleinen Verlagen als existenzbedrohend empfunden wird, scheinen diese Befürchtungen nicht gerechtfertigt. Das Modell würde der Bildung von Marktmacht aufgrund der Ansammlung von vielen Rechten vorbeugen, umgekehrt aber diejenigen belohnen, die dem Urheber und dem Konsumenten die bessere Leistung anbieten. Man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass heutzutage der Handel den größten Teil des Umsatzes einbehält. Dieser liegt in Deutschland im Buchmarkt inzwischen bei 50 %. Hier bietet sich also ein ganz anderer Spielraum für Umstrukturierungen an, der aber nicht mit dem Urheberrecht zusammenhängt.

Urheber stärken — warum nicht? Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Oder soll man alles so lassen wie es ist und hoffen, dass es sich ändert?

Eckhard Höffner 2017/09/11 17:17

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