Veröffentlichung von Abbildungen gemeinfreier Kunstwerke
Die Überschrift ist irreführend, denn es geht nicht nur um gemeinfreie Kunstwerke, sondern ganz allgemein um Sachen und einen Versuch, exklusive Verwertungsrechte an dem Abbild der Sachen zu begründen. Der Streit hat nur mit Reproduktionsfotogafien von gemeinfreien Kunstwerken und Denkmälern begonnen. Er kann aber alle möglichen Sachen betreffen (etwa einen U-Bahnwagen)1) und so bspw. auch journalistische Arbeiten erschweren.
Ist das Fotografieren (oder Filmen) einer Sache und die anschließende Verbreitung der Aufnahme eine rechtswidrige Verletzung der Rechte des Eigentümers, so dass er die Verbreitung der Aufnahmen verbieten kann? Das OLG Stuttgart hat dies in konsequenter Fortsetzung der Rechtsprechung des BGH so entschieden.2)
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Hintergrund
Die Überschrift ist etwas irreführend, denn Kunstwerke, Baudenkmäler etc. haben mit Gemeinfreiheit ihren besonderen zivilrechtlichen Status verloren und fallen unter die Sachen. Manche sind sehr teuer wie Diamanten, sind einzigartig, andere bedürfen einer speziellen Pflege wie Bonsaibäume oder dienen der Identifikation, Erbauung, historischen Anschauung etc. Sie werden deshalb vom Recht nicht stets gleich mit den anderen Sachen behandelt, sondern dürfen als Kulturgüter3) unter Umständen erst nach einer Genehmigung exportiert werden, während den Eigentümern von Denkmälern die Pflicht zum Erhalt des Denkmals auferlegt werden kann. Den Pflichten können Vorteile gegenüberstehen, etwa Zuschüsse des Staates zur Denkmalpflege oder Steuererleichterungen. Diese besonderen Regeln fallen aber außerhalb des Zivilrechts.
Am 31. Oktober 2018 verhandelt der BGH den Fall Stadt Mannheim4) wg. Veröffentlichungen bei Wikimedia Commons (Az.: I ZR 104/17). Der Sachverhalt betrifft die Veröffentlichung von diversen Ablichtungen von gemeinfreien im Museum ausgestellte Bildern und anderen Kunstwerken auf der Website Wikimedia Commons.5)
Die Revision betrifft ein Urteil des OLG Stuttgart gegen einen Fotografen und damit Wikimedia nur mittelbar. In dem Revisionsverfahren sind zwei zu unterscheidende Sachverhalte zu beurteilen, nämlich
- Reproduktionsfotografien, die das Museum 1992 durch einen Mitarbeiter hat fotografieren lassen und die in einer Publikation (offenbar des Museums) veröffentlicht wurden;
- Fotografien, die der beklagte Fotograf bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst angefertigt und Wikimedia zur Verfügung gestellt hat.
In beiden Varianten wurden die Bilder von Wikimedia im Internet veröffentlicht.
Der 1. Senat – dessen Zuständigkeit sachlich näher an den Problemen liegt als die des für Grundstücksrecht zuständigen 5. Senats – hat in dem Museum-Fall die Möglichkeit, die nicht überzeugende Sanssouci-Rechtsprechung zu beenden.6) Der BGH kann die Revision auch zurückweisen, ohne die eigentumsrechtliche Frage zu klären, wenn der Anspruch des Museums sich bereits aus dem Vertrag mit dem Fotografen ergibt. Der Vertragsinhalt scheint in dieser Hinsicht auf ein Piktogramm mit einer durchgestrichenen Kamera beschränkt zu sein. Eindeutig ist, dass Fotografieren nicht erlaubt ist, was aber nicht der Gegenstand der Revision ist. Es geht darum, ob sich aus dem Zeichen ableiten lässt, dass entgegen dem Verbot aufgenommene Bilder nicht verbreitet werden dürfen und wenn ja, wie das Zeichen zu verstehen ist. Hier sind verschiedene Varianten denkbar, beispielsweise
- ob ein Journalist, der auf Hygienemängel im Museum aufmerksam machen will, das Bild einer verdreckten Toilette aufnehmen und in der Zeitung abbilden darf;
- ob ein Besucher ein Bild von sich mit einem Rubensgemälde im Hintergrund öffentlich zugänglich machen oder mit einem Nachrichtendienst an seine Bekannten weiterleiten darf;
- ob ein Bild eines einzelnen Gemäldes verbreitet werden darf;
- etc.
Der BGH überprüft die Auslegung einer Willenserklärung nur beschränkt dahingehend, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und ob und die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt wurden.7) Es liegen allerdings allgemeine Geschäftsbedingungen vor, und die Wirksamkeit der AGB ist eine Rechtsfrage. In diesem Rahmen muss z. B. geprüft werden, ob das Verbot von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, so dass der Prüfungsrahmen des BGH nicht so begrenzt ist.8)
Ergänzung vom 9. 11. 2018: Nur auf der Grundlage des Vertrages – also unter Außerachtlassung, dass die abgebildeten Sachen in fremden Eigentum stehen – lässt sich der Streit kaum sinnvoll entscheiden:
- Wie versteht der Besucher ein entsprechendes Verbot? In einem Museum kann das Fotografieren verboten sein, weil es andere Besucher stören oder weil Blitzlicht Ausstellungsobjekte nachteilig beeinflussen kann. In eine Park können andere Aspekte von Bedeutung sein. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit von überraschenden oder mehrdeutigen Klauseln (§ 305c BGB) zu sehen (ein Gericht darf Klauseln nicht überraschend auslegen).
- Wird das fremde Eigentum nicht einbezogen, wie müsste folgender konstruierter Sachverhalt gelöst werden? Am Eingang eines Grundstücks wird das Komponieren oder das Schreiben von Texten verboten. Darf der Eigentümer z. B. einer Autorin verbieten, dass ein entgegen dem Verbot verfasster Text verbreitet wird? Ein entsprechendes Verbotsrecht ließe sich weder mit der Menschenwürde noch mit der Freiheit in Einklang bringen.
- Wie sieht es bei einem Maler aus, der im Park malt? Darf er sein Gemälde öffentlich zugänglich machen und kommt es darauf an, wie realistisch das Gemälde wirkt oder wie nah das Abbild dem Abgebildeten kommt?
- Wenn das fremde Eigentum zu berücksichtigen ist, stellt sich die Frage, ob jedes Motiv erfasst sein soll. Gilt das Verbot nur, wenn das Schloss das zentrale Objekt des Bildes ist oder auch für eine Baumgruppe oder auch für eine Parkbank, auf der der Familienvater seine Kinder fotografiert hat?
Der BGH kann schließlich mit einer spitzfindigen Begründung etwa zu dem vom 5. Senat geforderten „vom Anblick ausschließen“ oder der Absatzerschwerung9) eine Entscheidung vermeiden.
Für Wikimedia und die große Zahl an Nutzern wäre es ein schwerer Schlag sein, wenn nur noch vergleichsweise alte Vorlagen aus Katalogen (die Dauer des exklusiven Rechts an Lichtbildern beträgt derzeit 50 Jahre) genutzt werden können. Allerdings kann das Urteil eine weit darüber hinausreichende Wirkung haben, weil nicht nur Kunstwerke und nicht nur Wikimedia betroffen sind. Würde der BGH den Anspruch aus Eigentum (§§ 903, 1004 BGB) als gerechtfertigt ansehen, wäre das Urteil für Wikimedia zwar nicht bindend,Bei einer Entscheidung auf rein vertraglicher Grundlage wäre Wikimedia aus dem Urteil des OLG Stuttgart nicht zur Löschung verpflichtet, jedoch aus Urteil des LG Berlin, das aber als Verfügungsverfahren nicht endgültig ist. aber die Frage damit praktisch für Wikimedia und für zahllose Fotografen, Journalisten und andere Personen, die Abbilder von fremden Sachen veröffentlichen, verbreiten oder öffentlich zugänglich machen (alle auf den diversen Plattformen verbreitete Aufnahmen von fremdem Eigentum) entschieden.10)
1 Reproduktionsfotografien
1.1 Gegenstand des Verfahrens
Bei den Reproduktionsfotografien handelt es sich um Lichtbilder, die ein Mitarbeiter der Stadt Mannheim, deren »Hausfotograf«, angefertigt hat und die in einem Katalog abgebildet wurden. Jemand hat diesen Katalog erworben und die Bilder eingescannt; die Scans wurden auf Wikimedia hochgeladen.
Ein Anspruch auf Unterlassung der Zugänglichmachung (z.B. im Internet anzeigen) ergibt sich in solchen Fällen in der Regel aus §§ 97 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3, 19a, 72 UrhG. Einfache Fotografien sind als Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG anzusehen.11)
Die Lichtbilder bestimmen die Reichweite der urheberrechtlichen Verbotsrechte des sogenannten Lichtbildschutzes. Lichtbilder, Werke etc. im Sinne des Urheberrechts werden vom Urheberrecht im eigentlichen Wortsinne nicht geschützt, obwohl § 2 UrhG von den »geschützten Werken« spricht. Die Lichtbilder sind nach einer Verletzung des urheberrechtlichen »Schutzes« weiterhin unversehrt vorhanden. Man kann sie durch bloßes Vervielfältigen oder Zugänglichmachen nicht nachteilig beeinträchtigen.12) Eine Beschädigung würde zudem nicht in den Bereich des Urheberrechts fallen, sondern unter die allgemeinen Regeln des Zivilrechts als Sachschaden. Das urheberrechtliche Recht ist im Kern ein Verbot von Handlungen wie das Vervielfältigen, Verbreiten oder Zugänglichmachen (bzw. das unterlassene Löschen).13)
Wenn das Museum eventuelle Rechte an den Bildern von dem Fotografen erworben hat,14) geht es – soweit ersichtlich – nur um die Frage, ob bei der Reproduktionsfotografie zumindest ein Lichtbild im Sinne von § 72 UrhG vorliegt.
In diesem Rahmen trifft man auf Besonderheiten, die von der Rechtsprechung nach dem Zweck der Vorschrift behandelt werden:
- Die Fotografin macht eine Aufnahme von dem Gemälde – vermutlich mit dem Ziel: möglichst originalgetreu. Die Aufnahme war zunächst auf dem »Film« (in der Regel als Negativ) gebannt, der im Entwicklungslabor entwickelt wurde.
- Von dem entwickelten Film wurden Reproduktionen mit einer der Fotografie ähnlichen Technik angefertigt: Beim Vierfarbendruck wird die Vorlage (Negativ, Dia-Positiv oder Daten) unter Nutzung von Farbfiltern auf vier getrennte Filme belichtet, die dann für die Druckplatten genutzt werden.
Für den gescannten Katalog (also Grundlage der Bilder bei Wikimedia) wurden damit die Filme der Vierfarben-Druckvorstufe genutzt, nicht der von der Fotografin belichtete Film. Dabei bestehen sowohl bei der Entwicklung des Negatives wie auch bei der weiteren Verarbeitung bis zum endgültigen Druck Einflussmöglichkeiten auf das Endergebnis (von Korrekturen der Belichtung bei der Entwicklung des Films bis hin zum verwendeten Druckpapier). Diese für den Druck technisch notwendigen Vorgänge dürften nach dem BGH, den das OLG Stuttgart wiedergibt, urheberrechtlich ohne Bedeutung sein, solange keine »Verfremdung« des Ausgangsmaterials bezweckt ist:15)
Ein bloßer technischer Reproduktionsvorgang begründet noch keinen eigenständigen Lichtbildschutz für die Reproduktion. Auch beim Lichtbild kann nicht auf ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – geistiger Leistung verzichtet werden, der Lichtbildschutz erfordert, dass das Lichtbild als solches originär, also als Urbild geschaffen worden ist.16)
Der beklagte Fotograf beruft sich darauf, dass es bei der Abbildung des Gemäldes im Katalog um eine Wiedergabe in möglichst identischer unveränderter Form gehe. Die Argumentation zeigt die Nähe der Reproduktionsfotografie zu dem technischen Vorgang beim mechanischen Scannen von Büchern, der Fotokopie oder zu dem, was bei der professionellen Entwicklung eines Films oder der Einrichtung der Druckvorstufe zur Wiedergabe in möglichst identischer unveränderter Form passiert.17)
Das scheint – grob umrissen und nach der Pressemitteilung des BGH – der Gegenstand des ersten Teils zu sein. Möglicherweise wird der BGH wie schon das OLG Stuttgart sich von folgender Überlegung leiten lassen: Wenn schon Millionen Schnapsschüsse das Verbotsrecht begründen, muss das für eine Fotografie, bei der nicht nur der Auslöser gedruckt wurde, sondern Fachkenntnisse und vermutlich Stativ und Beleuchtung genutzt wurden, erst Recht gelten. Eine gute Reproduktionsfotografie stellt ohne Frage höhere Anforderungen an den Fotografen. Dass die Umstände des Einzelfalls, also der später nicht mehr erkennbare Aufwand bei der Anfertigung der Fotografie, maßgeblich sein soll, mag einleuchtend erscheinen. Nur wären dann die Schnapsschüsse mangels erkennbaren Aufwands vermutlich nicht mehr unter den Begriff Lichtbild subsumierbar, eingescannte Bücher hingegen schon.
Nils Poker18) hat darauf hingewiesen, dass die modernen digitalen Fotografien mit Smartphones eigentlich Ergebnisse der Software sind, die heutzutage praktisch alles automatisch regelt (Blende, Belichtungszeit, Schärfe, Fokus bis hin zur Nachbearbeitung (Farbe, Kontrast etc.).
1.2 Vorschlag
Der BGH kann auch eine Entscheidung des AG Nürnberg19) berücksichtigen. Der gesetzliche Wertung der Gemeinfreiheit, Kulturgüter dürfen der Öffentlichkeit nach Ablauf der Frist nicht vorenthalten werden, um mit diesen Einnahmen zu erzielen, ist der Vorrang einzuräumen:
Im konkreten Einzelfall ist aber aufgrund einer teleologischen Reduktion der Schutzgegenstand zu verneinen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, in deren Besitz sich das hier abfotografierte Gemälde befindet, das alleinige Entscheidungsrecht darüber hat, wer dieses Gemälde ablichtet bzw. fotografiert. Insoweit ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Anlagen, namentlich den Entscheidungen des Landgerichts Berlin bzw. Amtsgerichts Charlottenburg, dass die Klägerin grundsätzlich die Anfertigung von Fotografien innerhalb ihrer Museen untersagt. Soweit ein Kunstinteressent Ablichtungen eines Gemäldes aus dem Bestand der Klägerin verwenden möchte, ist er zwangsläufig auf die eigens von der Klägerin bzw. deren Fotografen gefertigten Lichtbilder angewiesen und insoweit verpflichtet, die Nutzung dieser Lichtbilder entsprechend der Honorartabeile der Klägerin im Wege der Lizenzierung zu vergüten. Obwohl es sich bei dem abfotografierten Gemälde um ein gemeinfreies Werk handelt, ist es dabei letztlich dem betrachtenden Publikum nicht möglich, trotz der Wertungen der Gemeinfreiheit das genannte Gemälde im Wege von Fotografien zu nutzen bzw. zu eigenen Zwecken unentgeltlich wiederzugeben. Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen. Indem die Klägerin durch eigene Fotografen eigene Lichtbilder fertigen lässt, begründet sie letztlich ein neues Schutzrecht mit einer Schutzdauer von weiteren bzw. neuen 50 Jahren gemäß § 72 Abs. 3 UrhG. Zur Überzeugung des Gerichts werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen.
Das AG Nürnberg befindet sich in bester Gesellschaft mit Kant.20) Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf Zugang zu dem Werk, solange der Urheber keine anderweitige Regelung getroffen hat. Kant sprach dem Eigentümer eines Manuskripts das Recht ab, das Werk des Autors als sein Eigentum zu unterdrücken. Das Publikum könne vom Verleger verlangen, dass er das Manuskript druckt oder heraus gibt, denn der Eigentümer des Originals »besitzt die Handschrift nur unter der Bedingung, sie zu einem Geschäfte des Autors mit dem Publicum zu gebrauchen.«
Dies ist zu ergänzen: Mit Ablauf des Urheberrechts bleibt die Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit bestehen. Wenn die Gesellschaft für urheberrechtliche Werke ein vom Allgemeinen abweichendes Sonderrecht geschaffen hat, muss die Gesellschaft im Gegenzug nach Ablauf des Sonderrechts einen angemessenen Zugang zu den Werken haben, der nicht durch einen Rekurs auf das Eigentum umgangen werden kann (vor allem nicht bei mit öffentlichen Mitteln angeschafften Originalen).
Das entspricht einem Grundgedanken des Patentrechts: Wer ein Patent erhalten will, muss seine Erfindung in der Patentschrift offenlegen. Diese wird veröffentlicht, so dass andere die Erfindung studieren und nach Ablauf des Patents frei nützen können. Wer seine Erfindung geheim hält, bekommt kein Patent zugesprochen.
Bei Gemälden oder anderen schönen Sachen verlieren die Originale durch eine weite Verbreitung von Kopien nicht an Wert, meistens ist das Gegenteil der Fall. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass der Marktpreis der Originale etwa von van Gogh gesunken ist, als die Bilder gemeinfrei wurden, oder dass Schloss Neuschwanstein weniger Besucher anzieht, nur weil vermutlich die Hälfte der Bewohner der reicheren Staaten schon Abbilder davon gesehen hat. Die Möglichkeit, über den sowieso in aller Regel erheblichen Sachwert hinaus den Eigentümern zusätzliche Einnahmen durch eine Art Leistungsschutzrecht Sachenschutz zukommen zu lassen, ist weder rechtlich noch ökonomisch geboten.
Es ist in dem unter Abschnitt 1.1 dargestellten Sachverhalt nicht zwingend erforderlich, dass man den Anwendungsbereich von § 72 UrhG teleologisch einschränkt (wogegen m. E. nichts sprechen würde), weil man die Unterlassungsforderung eines Eigentümer auch als Rechtsmissbrauch zurückweisen kann. Dies dürfte bei dem Museum (oder der Stiftung, s.u.) ausreichen, so dass die Frage, wie § 72 UrhG Reproduktionsfotografien behandelt, offen bleiben kann: Aus der Verbindung von besonderen Umstände, die das Museum selbst herbeigeführt hat (dem Aufnahmeverbot mit dem Angebot, Abbilder gegen Entgelt zuzulassen), ist die Geltendmachung von formal bestehenden Unterlassungsansprüchen rechtsmissbräuchlich (Begründung z. B. wie AG Nürnberg).
Dies setzt allerdings voraus, dass der Sanssouci-Rechtsprechung nicht gefolgt wird, denn diese schränkt das Argument der Gemeinfreiheit ein.
2 Ungenehmigte Fotografien fremder Sachen
2.1 Hintergrund
Der Sachverhalt bei den von einem Dritten im Museum fotografierten Gemälden (etc.) ist teilweise gleich, in der Hauptsache allerdings anders zu beurteilen. Zunächst:
- Das fotografierte Gemälde gehört dem Museum. Es ist zivilrechtlich an sich nicht anders zu behandeln als etwa Baudenkmäler oder zerfledderte Hühner. Für beide gelten die gleichen gesetzlichen Normen.
- Der Fotograf hat an seiner Aufnahme von dem Gemälde im Museum genauso (oder genauso wenig) wie der Museumsfotograf ein Leistungsschutzrecht an seiner Fotografie erworben, und zwar unabhängig von der Frage, ob er berechtigt war, die Bilder aufzunehmen oder nicht.21) Inhaber dieses Rechts ist nicht der Eigentümer der Sache, die abgebildet wurde (auch wenn die Rechtsprechung des BGH dem Fotografen das Recht praktisch entzieht22)).
- Ferner hat der Fotograf eine allgemeine Geschäftsbedingung des Museums nicht beachtet (Fotografieren verboten).
Dieses unter diesen Umständen angefertigte Bild soll der beklagte Fotograf ebenfalls nicht (über Wikimedia) öffentlich zugänglich machen dürfen. Ein entsprechendes Verbotsrecht soll dem Museum zustehen. Hinsichtlich der selbst erstellten Fotografien ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus dem Eigentums- und Hausrecht23) (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 903 S. 1 BGB):
- Das Eigentum an beweglichen Sachen24) wie den vorliegenden Kunstwerken werde bereits dann verletzt, wenn sie fotografiert werden.
- Außerdem bestehe ein vertraglicher Unterlassungsanspruch. Denn die Parteien hätten einen Besichtigungsvertrag geschlossen, der die Anfertigung von Fotografien untersage; woraus sich dann auch der Unterlassungsanspruch (gegen eine öffentliche Zugänglichmachung) ergebe.
Der Fall ist nicht nur deshalb problematisch, weil auf diesem Wege die Gemeinfreiheit eines Werkes in Frage gestellt wird, sondern weil sich rechtliche Distrikte überschneiden, bei denen Interferenzen nicht einfach zu verkraften sind. Die Rechtsprechung beruht im Kern auf folgenden zwei Urteilen des BGH. Die Urteile 3 und 4 werden zur weiteren Illustration herangezogen:
- BGH Schloss Tegel, Urt. v. 20.09.1974, I ZR 99/73;
- BGH Schloss Sanssouci, Urteile v. 17.12.2010 und 01.03.201325)
- KG Berlin, Urt. v. 25.10.2012, Az. 10 U 136/12,
- BGH Bio-Hühner-Betrieb, Urt. v. 10.04.2018
In allen vier Fällen war der Sachverhalt weitgehend identisch. Es ging darum, dass jemand von dem Grundstück aus Aufnahmen (Film oder Bild) angefertigt hat, dies ohne Zustimmung (bzw. unter Bedingungen, gegen die verstoßen wurde) des Eigentümers. In allen Fällen sollte ein Verbot der Verbreitung der Aufnahmen (auch gegen Dritte) durchgesetzt werden.
Das Fotografieren oder Filmen hat keine physikalisch beeinträchtigende Einwirkung auf das Bauwerk oder eine andere Sache, denn eine Kamera fängt nur Lichtwillen auf, die mit oder ohne Kamera reflektiert werden. Eine Kamera verhält sich zu dem Gebäude oder der Sache nicht anderes als das Auge eines Betrachters, das den sinnlich wahrnehmbaren Schein des Gebäudes oder einer Sache empfängt.26) Im einen Fall werden die Lichtwellen vom Auge rezipiert, im andern Fall von dem Film oder einem lichtempfindlichen Sensor, die das Abbild speichern.
2.1.1 Schloss Tegel
In der Entscheidung zu Aufnahmen von dem Schloss Tegel hat der BGH die Frage, welche Befugnisse gegenüber Dritten sich im Hinblick auf die Verbreitung von Aufnahmen einer Sache oder eines Grundstücks ergeben aus dem Eigentum, praktisch offen gelassen:
Dem kann nicht (…) entgegengehalten werden, das Fotografieren sei keine beeinträchtigende Einwirkung auf das Bauwerk im Sinne der §§ 903, 1004 BGB. Selbst wenn das richtig wäre — der BGH hat diese Frage bisher offen gelassen (BGHZ 44, 288, 293 — Apfelmadonna) — wäre das für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich. Denn Gegenstand des Rechtsstreits ist nach dem Klageantrag nicht das Verbot, das Schloß zu fotografieren, sondern fotografische Aufnahmen als Ansichtspostkarten oder in Bildkalendern zu veröffentlichen und zu vertreiben, mithin solche Aufnahmen gewerblich zu verwerten.
Die gewerbliche Nutzung des Eigentums steht unbeschadet der sich aus der Rechtsordnung ergebenden Sozialbindung des Eigentums im Grundsatz dem Eigentümer zu. Läßt sich die Ansicht eines Gebäudes durch den Vertrieb von Ansichtskarten usw. gewerblich auswerten, so liegt es nahe, das Recht solcher Nutzung dem Eigentümer vorzubehalten, der es errichtet hat oder unterhält. Ob dies allgemein zu gelten hat, bedarf hier keiner Entscheidung, mag auch durchaus zweifelhaft sein, da nach § 59 UrhG die Verbreitung — auch die entgeltliche — der Lichtbilder sogar von unter Urheberschutz stehenden Gebäuden zulässig ist, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden.
Der BGH führt aus, dass es nicht um die durch das Eigentum abgrenzte Substanz ginge, sondern um das gewerbliche Verwerten von Aufnahmen. Lässt sich die Ansicht eines Gebäudes durch den Vertrieb von Ansichtskarten usw. gewerblich auswerten, läge es nahe, dass diese Nutzung dem Eigentümer vorbehalten sei. Da Ansichtskarten etwas von dem Gebäude Verschiedenes sind, handelt es sich auf den ersten Blick um eine Art Wettbewerbsverbot. Inhalt, Reichweite und dogmatische Einordnung der Entscheidung sind folglich schwammig.
- Ergibt sich das Verbot unmittelbar aus dem Eigentum oder aus der Möglichkeit, dass jemand sein Eigentum gewerblich nutzen kann? Ein anderer rechtlich relevanter Anknüpfungspunkt als das Eigentum ist nicht erkennbar.
- Gilt das Verbot nur dann, wenn sich das Grundeigentum durch den Vertrieb von Abbildungen des Grundeigentums nutzen lässt und wenn ja, nach welchen Kriterien wird das bestimmt?
- Oder soll jede Art der Beeinträchtigung durch Wettbewerb untersagt werden können, also wenn etwa der eine sein Eigentum zum Verkauf von auf dem Grundstück angebautem Gemüse nutzt und in unmittelbarer Nähe eine weiterer Gemüsestand öffnet?
Im BGB sind keine Sonderregeln für Sachen vorhanden, bei denen Abbildungen sich gewerblich verwerten lassen. Das BGB kennt kein interessantes, pittoreskes, schönes, malerisches oder nach sonstigen optischen Gesichtspunkten besonderes Eigentum. Es kommt deshalb in Betracht, dass der BGH sich im Gesetz verirrt hat und nicht das BGB, sondern bspw. das UWG anwenden wollte. Das UWG kennt das Verbot der Ausnutzung fremder Leistungen oder Betriebsmittel (auch als »Schmarotzen« bezeichnet). Man hätte dann zu klären, etwa entsprechend dem Hartplatzhelden-Urteil,27) in dem es um Filmaufnahmen von Fußballspielen ging, inwieweit Folgendes auch eigentumsrechtlich28) gilt:
Es ist weder wettbewerbsrechtlich noch zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen. Dazu kann nur Anlass bestehen, wenn die betreffende Leistung Dritten ohne weiteres zugänglich ist und sich durch die diesen dadurch gegebene Möglichkeit der ungehinderten Ausbeutung die wirtschaftliche Position des Leistenden verschlechtert.
Ob man dieser Entscheidung im Ergebnis zustimmt oder nicht, ist hier belanglos. Jedenfalls hat der 1. Zivilsenat den Streit vom richtigen Ansatzpunkt aus entschieden. Voraussetzung für ein Verbot wäre nicht das beeinträchtigte Eigentum, sondern zumindest die Möglichkeit des Wettbewerbs (oder eine andere Form der Verschlechterung der wirtschaftlichen Position des Eigentümers). Dies allein sollte aber in einer Marktwirtschaft nie ausreichendes Kriterium sein, weil jeder Wettbewerber potentiell die wirtschaftliche Position der Mitbewerber verschlechtert und dies erwünscht ist (dementsprechend forderte das UWG zusätzlich ein Unwerturteil).29)
Ganz anders hat allerdings zwei Monate später der 5. Zivilsenat entschieden, der an das Eigentum angeknüpft.
2.1.2 Schloss Sanssouci
In diesen drei Fällen hat der BGH am 17. 12. 2010 entschieden, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten30) die ungenehmigte Herstellung und Verwertung von Foto- und Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Gebäude und Gartenanlagen zu gewerblichen Zwecken untersagen darf, wenn
- sie Eigentümerin ist und
- die Aufnahmen von ihren Grundstücken aus hergestellt worden sind.
a) Der Streitpunkt
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (Eigentümerin, Klägerin) verwaltet historische Bauten und Gartenanlagen in Berlin und Brandenburg, unter anderem den Touristenmagnet Sanssouci in Potsdam, Cecilienhof, Park und Schloss Rheinsberg, Jagdschloss Grunewald oder das Schloss Charlottenburg.
Nach einem Beschluss des Stiftungsrates bedürfen Aufnahme des von ihr verwalteten Eigentums der vorherigen Zustimmung. Ausgenommen sind Aufnahmen von Gebäuden und Anlagen, die sich an öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen befinden und Außenaufnahmen zu privaten Zwecken von geringem Umfang. Die Zustimmung erfolgt im Rahmen einer vorherigen schriftlichen Vereinbarung über ein angemessenes Nutzungsentgelt. An den Eingängen der der Öffentlichkeit zugänglich gemachten eingezäunten Parkanlagen sei jeweils ein Schild »Parkordnung« mit dem Hinweis aufgestellt: »Foto-, Film- und Fernsehaufnahmen zu gewerblichen Zwecken bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Stiftung.«31)
Die Stiftung wehrt sich dagegen, dass Foto- und Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter ohne ihre Genehmigung zu gewerblichen Zwecken angefertigt und vermarktet werden. Sie verlangt in drei Verfahren, eine Verbreitung der Bilder zu gewerblichen Zwecken zu unterlassen, Auskunft über die Zahl der Foto- und Filmaufnahmen und der damit erzielten Einnahmen und die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des entstandenen Schadens.
- Im ersten Fall ging es um eine Fotoagentur, die teils eigene, teils fremde Fotos vermarktet (V ZR 45/10).
- Der Beklagte des zweiten Verfahrens hat Filmaufnahmen von Gebäuden und Gartenanlagen auf den Anwesen der Stiftung in einer DVD über Potsdam verarbeitet, die er gewerblich vertreibt (V ZR 46/10).
- Die Beklagte des dritten Verfahrens (V ZR 44/10) betreibt als Diensteanbieter eine Internetplattform, auf der gewerblich und freiberuflich tätige Fotografen Fotos zum entgeltlichen Herunterladen ins Internet stellen können. Sie hat ca. 4 Millionen Bilder in dem Bildportal gespeichert, darunter etwa 1.000 Fotos von Grundstücken oder Sachen, die die Stiftung verwaltet (z.B. Parkanlagen, Skulpturen, Außen- und Innenansichten historischer Gebäude).32)
Das Landgericht Potsdam hat den Klagen stattgegeben, das Oberlandesgericht Brandburg hat sie abgewiesen. Das Eigentumsrecht beschränke sich auf den Schutz der Sachsubstanz und deren Verwertung, so das OLG. Die Ablichtung der Sache und die Verwertung von Ablichtungen stellten keinen Eingriff in das Eigentumsrecht dar. Das Verwertungsrecht stehe vielmehr dem Urheber der Ablichtung zu.
b) Die Entscheidung
Der BGH hat die erste Grundfrage, nämlich, ob die Stiftung als Grundstückseigentümerin die Herstellung und Verwertung von Foto- oder Filmaufnahmen der von ihr verwalteten Güter zu gewerblichen Zwecken von ihrer – an ein Entgelt geknüpften – Zustimmung abhängig machen darf, bejaht.33) Wer jemanden erlaubt, sein Grundstück oder z. B. seine Wohnung34) zu betreten, muss dies nicht vorbehaltlos tun, sondern kann dies an Bedingungen knüpfen.
Der Kern des Problems ist aber nicht, ob die Herstellung von Foto- oder Filmaufnahmen von einer Genehmigung abhängig gemacht werden kann, sondern ob insbesondere auch Dritten die Verwertung ungenehmigter Aufnahmen untersagt werden kann und wie das begründet wird.
Die Entscheidung des BGH knüpft an die Rechtsprechung des BGH an, die durch zwei Entscheidungen geprägt wurde, die unter den Bezeichnungen »Schloss Tegel« (I ZR 99/73; s. o.) und »Friesenhaus« (I ZR 54/87) bekannt geworden sind. In der Friesenhaus-Entscheidung hat der BGH ausgeführt, ob das Fotografieren einer fremden Sache oder eines fremden Grundstücks ohne Zustimmung des Eigentümers als eine zur Abwehr nach §§ 903, 1004 BGB berechtigende Einwirkung auf die Sache zu qualifizieren ist, sei bislang noch nicht vom BGH entschieden worden (trotz Schloss Tegel). Der Eigentümer könne jedenfalls die Herstellung und Verwertung von Fotos dann nicht untersagen, wenn sie von außerhalb seines Grundstücks aufgenommen worden sind.35)
Von diesen Entscheidungen hat der BGH sich leiten lassen und im Kern darauf abgestellt, ob zum Fotografieren das Grundstück betreten werden muss oder nicht:36)
Das Eigentum an einem Grundstück wird aber dann durch (das Anfertigen und) die Verwertung von Filmaufnahmen von auf ihm errichteten Gebäuden und auf ihm angelegten Gartenanlagen beeinträchtigt, wenn das Grundstück zur Anfertigung solcher Aufnahmen betreten wird.
(…)
Ein ausschließliches Recht, Abbilder herzustellen und zu verwerten, wie es den Inhabern von Urheber- und Immaterialgüterrechten zusteht, steht dem Grundstückseigentümer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon von vornherein nicht zu.37)
Unmittelbar im Anschluss widerspricht er sich selbst:
Er hat ein solches Recht nur, wenn sein Grundstück betreten werden soll, um Abbilder insbesondere von Gebäuden und Gärten anzufertigen, die sich darauf befinden, und die Abbilder dann zu verwerten. Dabei handelt es sich aber nicht um ein neben das Eigentum tretendes eigenständiges Recht. Die Verwertungsbefugnis beruht vielmehr auf dem Grundstückseigentum selbst, das das Recht umfasst, aus dem Grundstück Früchte zu ziehen. Zu diesen Früchten gehören nach § 99 Abs. 3 BGB ebenso wie die Erträge etwa aus der Vermietung eines Schlosses als Kulisse für einen Kinofilm auch die Erträge aus der Verwertung von Filmaufnahmen der Gebäude und Gärten auf dem Grundstück (vgl. Prengel, Bildzitate, S. 217 f., der allerdings auf Gebrauchsvorteile abstellt). Zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht wird dieses Recht des Grundstückseigentümers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn Lage und Nutzung seines Grundstücks rein tatsächlich dazu führen, dass verwertungsfähige Aufnahmen nur von seinem eigenen Grundstück, nicht von öffentlichen Plätzen oder anderen Grundstücken aus angefertigt werden können.
(…)
Diese Beeinträchtigung des Eigentums wird durch die ebenfalls ungenehmigte Verwertung der ungenehmigten Abbilder vertieft und im Verhältnis zum Grundstückseigentümer nicht dadurch gerechtfertigt, dass eine Verwertung seiner Filme durch Dritte nur der Urheber, nicht der Grundstückseigentümer erlauben könnte.
Von öffentlichem Grund aus aufgenommene Bilder von bleibenden Objekten dürften verbreitet werden. Wenn ein fremdes Grundstück betreten werden muss, so könne der Eigentümer das Betreten unter Bedingungen erlauben38):
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen das ungenehmigte Fotografieren eines Gebäudes oder eines Gartens und die Verwertung solcher Fotografien allerdings nicht in jedem Fall eine Eigentumsbeeinträchtigung dar. An ihr fehlt es vielmehr, wenn ein Gebäude oder eine Gartenanlage von einer anderen Stelle aus als dem Grundstück, auf dem sie sich bleibend befinden (…), fotografiert werden und solche Fotografien verwertet werden (…). Das hat der Bundesgerichtshof aus einer Parallelwertung zu § 59 UrhG abgeleitet. Die urheberrechtliche Freistellung soll nicht eigentumsrechtlich unterlaufen werden können.
(2) Dieser Gesichtspunkt greift aber nicht, wenn das Gebäude oder der Garten – wie hier – nicht von allgemein zugänglichen Stellen, sondern von dem Grundstück aus, auf dem sie sich befinden, fotografiert werden (sollen). Dann hängt die Möglichkeit, das Gebäude oder den Garten zu fotografieren, entscheidend davon ab, ob der Grundstückseigentümer den Zugang zu seinem Grundstück eröffnet und unter welchen Bedingungen dies geschieht. Die Entscheidung darüber steht, von noch zu erörternden Grenzen abgesehen, nach § 903 BGB im Belieben des Grundstückseigentümers. Er ist nicht gezwungen, den Zugang zu seinem Grundstück nur vollständig zu gestatten oder vollständig zu versagen. Er kann ihn auch eingeschränkt öffnen und sich etwa das Fotografieren seines Anwesens und die Verwertung solcher Fotografien vorbehalten. Diese Befugnis des Grundstückseigentümers erkennt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an (…).
Der Anspruch zeige zwar ähnliche Rechtsfolgen wie Immaterialgüterrechte, würde aber dem Grundstückseigentümer kein eigenständiges Recht am Bild der eigenen Sache zuerkennen, so der Senat 201339).
Dementsprechend wurde die Schloss-Sanssouci-Entscheidung zumeist unter dem Gesichtspunkt »Panoramafreiheit« abgehandelt. Diese Vorschrift hat allerdings mit dem Thema nicht viel zu tun (wie der BGH in der Friesenhaus-Entscheidung ausgeführt hat40)), denn § 59 UrhG betrifft vom Urheberrecht erfasste Werke und im Urheberrecht geregelte Rechte, wozu aber weder die denkmalgeschützten Gebäude noch der geltend gemachte Anspruch gehören.41) § 59 UrhG kann deshalb bestenfalls als ein Hinweis verstanden werden: Selbst wenn das abgebildete Objekt Gegenstand des Urheberrechts wäre, wäre es zulässig, von öffentlich zugänglichen Plätzen aus diese abzubilden und die Abbildungen zu vervielfältigen. Für andere Objekte könne demzufolge nichts anderes gelten. In den Sanssouci-Urteilen verkehrt der 5. Senat dies nun auf den ersten Blick in sein Gegenteil.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich dem Umstand, dass bei einem urheberrechtlich geschützten Werk das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht ausschließlich dem Urheber zugewiesen ist (vgl. §§ 16, 17 UrhG), nicht die gesetzliche Wertung entnehmen, das äußere Erscheinungsbild der Sache sei einer Nutzung durch den Eigentümer generell entzogen (zweifelnd Dreier in Dreier/Schulze, aaO, § 59 Rn. 14 S. 938). Urheberrecht und Eigentum am Werkoriginal sind voneinander unabhängig und stehen selbständig nebeneinander (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - I ZR 68/93, BGHZ 129, 66, 70). Die Eigentümerbefugnisse erfahren daher nur insoweit eine Einschränkung, als ihre Ausübung bestehende Urheberrechte verletzen würde (BGH, aaO, sowie Urteil vom 31. Mai 1960 - I ZR 53/58, BGHZ 33, 1, 15; Prengel, Bildzitate, S. 205 f.). Daraus ergibt sich, dass bei Werken, denen von vornherein kein urheberrechtlicher Schutz zukommt oder an denen zwischenzeitlich Gemeinfreiheit (§ 64 UrhG) eingetreten ist, einer Verwertung der Sachansicht durch den Eigentümer unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten nichts entgegen stehen.
So wie der BGH seine Entscheidung begründet, scheinen diese Rechte auf Dauer mit dem Eigentum der Sache verbunden zu sein und werden vom UrhG nur vorübergehend dem Urheber bzw. dessen Rechtsnachfolgern zugeordnet. Das Urheberrecht wird zu einer Art lex specialis, das ausnahmsweise gegenüber dem allgemeinen Eigentumsrecht den Vorrang im Hinblick auf ausschließliche Verwertungsrechte hat.42)
Aber das trifft es auch nicht genau, denn die Ausnahme Panoramafreiheit (die bspw. das franz. Recht nicht kennt) des Urheberrechts, das selbst eine Sonderregel für das Eigentum an körperlichen Gegenstand zu sein scheint, soll allgemein gelten. Es ist eine schwer nachvollziehbare Rangfolge, wenn die Ausnahme Panoramafreiheit für die besonderen Fälle, in denen das Urheberrecht zur Anwendung kommt, zugleich das Grundprinzip für die Fälle sein soll, in denen das Urheberrecht nicht angewendet wird, dies vor dem Hintergrund, dass nach § 99 Abs. 3 BGB zu den Früchten einer Sache die Erträge aus der Verwertung von Aufnahmen der Sache auf dem Grundstück gehören sollen. Einfacher ausgedrückt:
- Es gibt ein Recht am Bild der eigenen Sache und die Panoramafreiheit ist eine Ausnahme, die das Recht des Eigentümers begrenzt (so hat der BGH es nicht dargestellt).
- Es gibt kein Recht am Bild der eigenen Sache, sondern nur dann, wenn das Grundstück betreten werden muss, um eine Aufnahme anzufertigen (womit die Umkehrung der urheberrechtliche Ausnahme das Grundprinzip für das Verwertungsrecht des Eigentümers ist).
Der 5. Senat hat 2013 und 2014 erneut zu diesen Fragen entschieden und die Gründe geändert oder ergänzt, so dass diese zuerst dargestellt werden sollen.
c) Urteil vom 01.03.2013
Mit Urteil vom 01.03.2013 (Az. V ZR 14/12) hat der 5. Senat seine Entscheidung und das Verbot der Verbreitung oder Zugänglichmachung aus dem Jahr 2010 gerechtfertigt, und die Reichweite vergrößert:
Hierin liegt keine Besonderheit des (Grundstücks-) Eigentums. Auch der Zuweisungsgehalt anderer absoluter Rechte wird beeinträchtigt, wenn die Grenzen einer erteilten Einwilligung überschritten werden. So deckt etwa die Einwilligung in eine bestimmte Form der Veröffentlichung eines Fotos durch den Fotografierten nur die Form der Veröffentlichung ab, in die eingewilligt wurde, nicht auch andere (BGH, Urteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, NJW 1985, 1617, 1618 f. und vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, NJW 2005, 56, 57; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 1112). Ähnlich liegt es bei der schlichten Einwilligung in die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Bildern (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291, 306 f. Rn. 36).
Dies ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:
- Zur Begründung der besondere Rechte des Sacheigentümers werden Entscheidungen herangezogen, die den Inhaber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten (oder dem allg. Persönlichkeitsrecht) betreffen. Der BGH übersieht, dass der Begriff der absoluten Rechte nicht mit dem der dinglichen Rechte identisch ist. Diese Parallele wäre nur dann zulässig, wenn das exklusive Verwertungsrecht dem Eigentum immanent wäre, was aber zuerst begründet werden müsste.
- Mit dem Hinweis, dass dies keine Besonderheit des Rechts an Immobilien sei43), erweitert der BGH das Verbotsrecht auch auf bewegliche Sachen (auch wenn über diese Frage nicht entschieden wurde).44) Die Ausdehnung auf bewegliche Sachen ist rechtstechnisch konsequent45), leidet aber daran, dass das, was ausgedehnt wurde, wieder aufgehoben werden müsste.
d) »Sachschutz« analog zum »Lichtbildschutz«
Das Schiefe der Entscheidungen des BGH liegt darin, dass das Urheberrecht die exklusive Verwertung von Fotografien oder anderer Kopien aus den Befugnissen des Eigentümers einer Sache ausscheidet. Wenn jemand ein nicht gemeinfreies Buch zu seinem Eigentum erwirbt, steht ihm nicht das Recht zu, Kopien von seinem Eigentum zu verbreiten; genauso wenig hat er das Recht, anderen die Verbreitung von Kopien des Buches zu untersagen. Diese Verbotsrechte sind Gegenstand des Urheberrechts (des Patentrechts etc.) und streng von dem Eigentum an der Sache zu trennen.46) Deutlich wird dies in § 44 UrhG. Wenn jemand ein Original (Gemälde, Zeichnung, Skulptur) erwirbt, erwirbt er damit nicht das Recht, Vervielfältigungsstücke des Originals anzufertigen.47) Wenn Dritte Kopien von dem Gemälde vervielfältigen und vertreiben wollen, fällt die Entscheidung hierüber ausschließlich dem Inhaber der urheberrechtlichen Verwertungsrechte zu, nicht dem Eigentümer der Sache.
Soweit der BGH sagt, Urheberrecht und Eigentum am Werkoriginal seien voneinander unabhängig und würden selbständig nebeneinander stehen, ist dies kein Argument. Es ist ein offensichtlicher Umstand, dass es einmal um das Sacheigentum an der körperlichen Sache (die kein Werkoriginal oder Werkstück sein muss), das andere Mal um das urheberrechtliche Verwertungsrecht am Geistigen geht, — aber diese Unterscheidung trägt als inhaltsleere Petitio Principii nichts zur Klärung bei.
Wenn ein Recht die besonderen »Rechtsfolgen wie Immaterialgüterrechte« zeitigt, dann wird es sich wohl um ein Immaterialgüterrecht handeln.
Vom BGH wurde mit der Entscheidung ein dem »Lichtbildschutz« entsprechender »Sachschutz« eingeführt, der sich auf die konkrete Sache als körperlicher Gegenstand beschränkt. Dieses Recht entspricht vollständig den Ausführungen des BGH zu den Lichtbildern, mit dem Unterschied, dass die vervielfältigte Vorlage kein Lichtbild, sondern eine Sache ist: Der Schutz von Lichtbildern, die keine eigentümliche Prägung aufweisen, die also keine Lichtbildwerke im Sinne von § 2 Ziff. 5 des neuen Urhebergesetzes sind, beschränkt sich aber auf die konkrete Aufnahme als körperlicher Gegenstand. Nur deren »Vervielfältigung« ist einem Dritten untersagt.48) Der urheberrechtliche Lichtbildschutz (vor der digitalen Fotografie) hätte nur noch die Funktion, dem Fotografen zeitweilig den Vorrang vor den Rechten des Eigentümers zuzusprechen. Bei anderen Sachen, die überhaupt nicht unter das Urheberrecht fallen, käme der allgemeine zivilrechtliche Sachschutz sofort zur Anwendung.
Die Entscheidung sprengt damit nicht nur das Immaterialgüterrecht, wie Schack zu Recht ausführt.49) Sie widerspricht, worauf unten noch einzugehen ist, der grundlegenden Konzeption des bürgerlichen Rechts.
2.1.3 U-Bahnanlagen
Das KG Berlin hat mit Urteil v. 25.10.2012 über einen Sachverhalt entschieden, in dem es um (vom Eigentümer ungenehmigte) Filmaufnahmen in der Berliner U- oder S-Bahn ging. Aufgenommen wurden die Betriebsanlagen sowie mit Graffiti besprühte Wagen. Eventuelle Rechte der Graffiti-Urheber waren nicht Gegenstand der Entscheidung, sondern die Rechte der Stadtbetriebe als Eigentümer der Betriebsanlagen.
Das KG hat einerseits (anders als der BGH) die die Meinungs- und Kunstfreiheit in die Waagschale geworfen.50) Zum anderen hat das KG die Begründung des BGH in der Sanssouci-Entscheidung verarbeitet und den Anspruch auf Unterlassung abgelehnt, denn das Fruchtziehungsrecht des Eigentümers sei nicht verletzt.
Die Sanssouci-Entscheidung geht, wie gesehen, von folgenden Annahmen aus: Die Verwertungsbefugnis des Eigentümers beruht auf dem Grundstückseigentum, das das Recht umfasst, aus dem Grundstück Früchte zu ziehen. Es ist ist unerheblich, ob es sich bei den abgebildeten Objekten m Baudenkmäler, Ansichten, die sich durch Ansichtskarten gewerblich auswerten lassen, etc. handelt. Die allgemeingültige Panoramafreiheit ist nicht von Bedeutung, wenn das Grundstück zur Anfertigung der Aufnahmen betreten wird.
In dieses Konstrukt hat das KG – nicht ausdrücklich – die oben dargestellten Aspekte der Hartplatzhelden-Entscheidung einbezogen, nämlich die Frage, ob sich durch die Verbreitung der Aufnahmen der Graffiti-U-Bahnen die wirtschaftliche Position der Stadtbetriebe verschlechtert:
Die streitgegenständlichen Aufnahmen dienen (…) nicht der optischen Darstellung der in ihrem Eigentum stehenden Betriebsmittel und Betriebsanlagen, sondern zeigen Personen, die in rechtswidriger Art und Weise gegen die im Eigentum der Klägerin stehenden Betriebsmittel vorgehen. Die Klägerin beabsichtigt nach ihrem eigenen Vortrag nicht, die streitgegenständlichen Aufnahmen der Verkehrsmittel und/oder Betriebsanlagen kommerziell zu verwerten. Die Klägerin wird daher durch die streitgegenständlichen Aufnahmen – anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen – nicht an der Nutzung ihres Eigentums gehindert. Dieser Wertung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Betriebsanlagen und Züge Dritten gegen Bezahlung für Filmaufnahmen zur Verfügung stellt. Denn diese kommerzielle Nutzung bezieht sich gerade nicht auf die streitgegenständlichen, mit Graffiti versehenen Betriebsmittel, so dass ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Nutzung der in dem Film (…) enthaltenen Bilder nicht besteht. Danach verletzen die die streitgegenständlichen Bilder der Betriebsmittel und Betriebsanlagen der Klägerin diese nicht in ihrem Eigentumsrecht.
Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen (kein Unterlassungsanspruch). Sie muss dabei aber, grob gesagt, mit der Trennung zwischen dem Gegenstand des Eigentums und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb brechen (auch wenn sich aus dem Recht am e. u. a. Gewerbebetrieb kaum ein Wettbewerbsverbot herleiten lässt). Das KG bringt zum Ausdruck, dass eine Eigentumsverletzung nur dann vorliegt, wenn sich die beiden Parteien ins Gehege kommen können, also die Verbreitung der Aufnahmen durch den Fernsehsender den Absatz des Eigentümers mit vergleichbaren Motiven (der Sache im Eigentum der Stadtbetriebe) erschweren kann.
Das Ergebnis des KG steht auch nicht im Einklang mit der zuvor dargestellten Rechtsprechung des 5. Senats, der die Verwertungsmöglichkeit dem Zuweisungsgehalt des Eigentum zugeordnet hat.51) Das Urteil des KG widerspricht unter dieser Prämisse der Konzeption der absoluten Rechte und dem Abstraktionsprinzip.52) Wenn etwas in diesen Zuweisungsgehalt fällt, kommt es nicht darauf an, ob es ausgeübt wird oder nicht. Man darf Äpfel nicht mitnehmen, nur weil der Grundeigentümer diese nicht einsammelt, oder Wohnungen vermieten oder selbst beziehen, nur weil der Eigentümer diese leer stehen lässt.53)
Genauso wenig wird der Zuweisungsgehalt des Eigentums im Einzelfall vom Eigentümer bestimmt.54) So hat das jedoch der BGH entschieden: »Gestattet er das Betreten oder Benutzen seines Grundstücks nur unter bestimmten Bedingungen, ist jede Abweichung hiervon ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums und damit eine Eigentumsbeeinträchtigung.«55)
2.1.4 Aufgabe der Rechtsprechung?
Vier Jahre nach der ersten Sanssouci-Entscheidung hat der 5. Senat den Schwerpunkt der Begründung deutlich verschoben.56) Er scheint die ursprüngliche Begründung weitghehend nur noch pro forma aufrecht zu erhalten:
Ein Anspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB setzte voraus, dass Grundstück bzw. Gemälde zum Zeitpunkt der Anfertigung der Fotografien der Klägerin gehörten, sie nicht frei zugänglich waren und auch keine Erlaubnis zum Fotografieren erteilt worden war. Eine rechtswidrige Eigentumsverletzung kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Fotografien unter Verletzung der dem Eigentümer zustehenden Befugnis entstanden sind, andere vom Zugang zur Sache oder von deren Anblick auszuschließen und ihnen damit die Möglichkeit der Ablichtung und deren Verwertung abzuschneiden oder zumindest zu erschweren.
Wie bereits in der Entscheidung des KG tritt nunmehr die Möglichkeit des Wettbewerbs in den Vordergrund, wobei die Formulierung des 5. Senats sich dem nähert, was etwa der Hardplatzhelden-Entscheidung zu entnehmen war. Allerdings will der 5. Senat seine Rechtsprechung nicht vollständig aufgeben, sondern bringt erneut eine Parallele zum Immaterialgüterrecht ein:
Da die Beklagte die Fotografien nicht selbst angefertigt hat, setzte ihre Inanspruchnahme als Störerin voraus, dass sie bei der Vervielfältigung der Fotos Prüfpflichten in Bezug auf eine Verletzung von Eigentumsrechten der Klägerin verletzt hätte.
Wie im Urteil aus 2013, in dem der BGH zur Begründung der besondere Rechte des Sacheigentümers sich auf Entscheidungen berufen hat, die den Inhaber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten betreffen, werden erneut Immaterialgüter-, Sachen- und Vertragsrecht vermengt. Der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB setzt nur eine rechtswidrige Beeinträchtigung voraus, kein Verschulden, was der BGH aber mit den Prüfpflichten als weiteres Tatbestandsmerkmal bzw. Anspruchsvoraussetzung nennt.
2.1.5 Hühnerställe
In dem Fall über Aufnahmen in Hühnerställen57) ging es darum, dass eine Person nachts in die Hühnerställe von zwei Betrieben eingedrungen ist und dort Filmaufnahmen anfertigte. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. Die Person überließ die Aufnahmen einem öffentlich-rechtlichen Sender, der sie in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel »Wie billig kann Bio sein?« und im Rahmen der Sendung »FAKT« unter dem Titel »Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten« ausstrahlte. Der Sachverhalt weist die selben Merkmale auf wie der zuvor dargestellt Fall zum Schloss Sanssouci oder die Aufnahmen in den Berliner U-Bahnhöfen.58)
Im Rahmen der Entscheidung über diesen Sachverhalt hat der BGH nicht einmal geprüft, ob eine Verletzung des Eigentums an den halbtoten Hühner oder den Ställen durch das Fotografien oder Filmen vorliegt. Der BGH beschäftigt sich nur mit der Frage, ob die Verbreitung der Bildaufnahmen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt.59)
Zieht man die Sanssouci-Entscheidung aus dem Jahr 2010 heran, müssten folgende Sätze in dem Urteil stehen:
Die Verwertung dieser Fotos verletzt (…) das Grundstückseigentum der Klägerin.
aa) Das Fotografieren eines fremden Grundstücks, insbesondere eines darauf errichteten Gebäudes, lässt zwar dessen Sachsubstanz unberührt. Es hat keine Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst, hindert den Eigentümer nicht daran, mit dem Grundstück weiterhin nach Belieben zu verfahren und stört ihn grundsätzlich auch nicht in seinem Besitz.
bb) Das Eigentum an einem Grundstück wird aber dann durch (das Aufnehmen und) die Verwertung von Fotografien von auf ihm errichteten Gebäuden und auf ihm angelegten [Hühnerställen]60) beeinträchtigt, wenn das Grundstück zur Anfertigung solcher Fotografien betreten wird.
Damit soll nicht gesagt sein, dass die Entscheidung über die rechtswidrig aufgenommenen Filme in Hühnerställen im Hinblick auf eine etwaige Eigentumsverletzung unzureichend begründet wurde. Vielmehr besteht kein Anlass, der Sanssouci-Rechtsprechung zu folgen.
2.1.6 OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart sieht den Unterlassungsanspruch aus zwei Gesichtspunkten als gegeben an:
- Aus Vertrag – was nur den beklagten Fotografen betrifft;61)
- Aus Eigentum.
Das OLG geht von den Sanssouci-Entscheidungen aus, muss aber bewegliche Sachen (Gemälde) beurteilen, die nicht Teil des Grundstücks sind. Dementsprechend könne sich aus dem Betreten des Grundstücks in Verbindung mit dem ungenehmigten Fotografieren keine Eigentumsverletzung ergeben, weil das Grundstück und das Gemälde rechtlich zwei unterschiedliche Sachen sind, die auch nicht ein- und derselben Person gehören müssen. Demnach sei das Betreten des Grundstücks – unter Hinweis auf Stieper62) – im Hinblick auf das Gemälde eigentumsrechtlich neutral. Jedoch werde das Eigentum an der (urheberrechtlich gemeinfreien) beweglichen Sache schon dann verletzt, wenn diese fotografiert wird. Dies beruhe auf dem Umstand, dass die Rechtsprechung des BGH an die Eigentumsrechte aus § 903 BGB anknüpft, die nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen differenzieren. Dementsprechend sei diese auch auf bewegliche Sachen zu übertragen, so dass das Verbreiten von Abbildungen fremder Sachen rechtswidrig ist oder sein kann.
Das OLG Stuttgart hat damit entschieden, dass das exklusive Verwertungsrecht auch für bewegliche Sachen gilt. Damit greift die Analogie zu § 59 UrhG nicht mehr, weil diese Ausnahme ein bleibendes Objekt (im Gegensatz zu den zu bewegenden) voraussetzt. Die Begriffe unbeweglich und bleibend sind zwar nicht vollständig deckungsgleich63), aber in den meisten Fällen liegt ein Gleichlauf vor.
2.2 Rechtliche Problematik
Die Sanssouci-Urteile des BGH reihen sich in eine Vielzahl von Versuchen ein, exklusive Verwertungsrechte aus unterschiedlichen Gesichtspunkten wie der Geschäftsanmaßung, der Eingriffskondiktion, Schadensersatz, UWG, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder dem bloßen Sacheigentum herzuleiten. Die Begründungen und Entscheidungen leiden daran, dass sie essentielle Konstruktionsprinzipien des deutschen Rechts missachten und in den Kernbereich des Zivilrechts eingreifen. Sie begründen absolute Rechte aus Umständen und ziehen Konsequenz aus Voraussetzungen, die aus rechtsdogmatischer Sicht nichts taugen. Dementsprechend fehlt es zumeist an einer angemessenen Subsumtion unter die gesetzlichen Tatbestände, was eine »richtige Anwendung des Gesetzes« gefährdet:
Aeltere Gesetzbücher, namentlich das preußische Allgemeine Landrecht und der code civil, vermengen vielfach obligationsrechtliche und sachenrechtliche Vorschriften mit einander, indem sie die in jedem subjektiven Rechte, auch in dem dinglichen, obschon in diesem nur mittelbar, vorhandene persönliche Richtung zum Ausgange nehmen und die Obligationen nur als Mittel zur Erwerbung oder zur Veränderung dinglicher Rechte behandeln. Eine solche Methode wird den begrifflichen Gegensätzen nicht gerecht; sie erschwert die Einsicht in das Wesen der Rechtsverhältnisse und gefährdet hierdurch die richtige Anwendung des Gesetzes.64)
Die deutsche Rechtsordnung ist auf wenige elementare Prinzipien begrenzt, aus denen sich das System erschließt. Der Richter muss, wie Kant die Subsumtion als Methode der Urteilsfindung beschrieb, in der Lage sein, »das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken«, denn wenn »das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben« ist, so sei die Urteilskraft, »welche das Besondere darunter subsumiert, […] bestimmend.« Sie habe es dann »nicht nötig, für sich selbst auf ein Gesetz zu denken, um das Besondere in der Natur dem Allgemeinen unterordnen zu können.65)
Das Grundprinzip ergibt sich mittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG, wonach jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Ohne Einwilligung der betroffenen Person findet die Freiheit ihre Grenzen an den absoluten Rechten anderer. Diese absoluten Rechte waren in erster Linie
- die dinglichen Rechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen;
- Immaterialgüterrechte;66)
- konkrete Persönlichkeitsrechte wie das Namensrecht, das Recht am eigenen Bild, Rechte am eigenen Körper (Leben, Gesundheit etc.), die nachfolgend nicht weiter berücksichtigt werden.67)
Bei der Konzeption des BGB wurden die Rechte an den Sachen absolut, also gegenüber jedermann geltend, gesetzt. Die auf dem Sacheigentum beruhenden Rechte waren aber begrenzt auf den konkreten körperlichen Gegenstand. Die Rechte des Eigentümers fanden ihre Grenze an den Rechten anderer, die ebenso abgegrenzt waren. Dingliche Rechte verschaffen nur »unmittelbare Macht der Person über die Sache« und betreffen nur »Sachen im eigentlichen Sinne«, körperliche Dinge.68) Im Hinblick auf die Verwertungsrechte von Aufnahmen der Sachen ist die Entscheidung klar: Das Eigentum betrifft die Sachherrschaft am körperlichen Eigentum und nicht die Verbreitung von davon getrennten Bildern. Aus dem Eigentum an dem Grundstück fließen gewisse Unterlassungsansprüche, die jedoch nur das Grundstück, nicht jedoch das Abbild des Grundstücks, betreffen.
Wenn keine konkrete Sache betroffen ist, ergeben sich Freiheitsbeschränkungen aus dem Immaterialgüterrecht, das an das sog. Immaterialgut besondere Anforderungen stellt.69) Etwas anderes ist in der Konstruktion des deutschen Zivilrechts nicht vorgesehen. Daher rührt die inkonsistente Anwendung des Gesetzes durch den 5. Senat, der seine Argumentation mit der Panoramafreiheit, einer Ausnahme aus dem UrhG, beginnt, absolute und dingliche Rechte nicht scharf trennt, Eigentümern die Möglichkeit zuspricht, den Inhalt von dinglichen Rechten nach ihrem Willen zu bestimmen und die Herrschaft über die Sachsubtanz auszuweiten auf ein Wettbewerbsverbot.
2.2.1 Reichweite
Zu Beginn ist die Frage stellen, wie weit das exklusive Recht des Eigentümers reichen soll?
Gilt es nur für Fotografien und Filme oder auch für Zeichnungen. Darf die Büste der Nofretete – je nach Entscheidung des Neuen Museums – nur nicht fotografiert werden oder dürfen auch keine Gipsabgüsse angefertigt und vertrieben werden? Wie verhält es sich mit Skulpturen, die sich nicht ohne Besuch des Museums anfertigen lassen, weil z. B. keine geeigneten Fotografien verfügbar sind?
Muss erkennbar sein (und wenn ja, für wen und wie), wem die Objekte gehören? Würde eine beliebige Parkbank im Schlosspark auch unter das Verwertungsrecht des Eigentümers fallen oder nur dann, wenn bei der Verbreitung darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Parkbank im Schlosspark Charlottenburg handelt?
Wieso wurde in dem Hühnerstall-Fall nicht die Verletzung des Eigentums geprüft? Muss es sich bei den abgebildeten Objekten um Kulturgüter oder andere verwertbare Aufnahmen handeln? .
In den Urteilen des 5. Senat heißt es, dass die Stiftung das Fotografieren etwa des Schlosses Charlottenburg von einem hinter dem Zaun gelegenen Standort aus und die anschließende Verbreitung der Aufnahmen nicht verbieten kann. Werden die Bilder von außerhalb aufgenommen, sind die Aufnahmen und deren auch gewerbliche Verbreitung zulässig. Das fotografierte Motiv als solches kann demnach die Unterscheidung nicht begründen.
Das Recht gilt allgemein für Sachen, also – mit den Worten des BGH – für Werke, denen von vornherein kein urheberrechtlicher Schutz zukommt.
- Eigentum ist Eigentum. Es kommt nicht darauf an, ob der abgebildete Gegenstand besondere Eigenschaften aufweist. Ob es sich um ein Gemälde, eine U-Bahn oder ein Kleidungsstück handelt, ist gleichgültig.
- Die Panoramafreiheit, die der BGH als Begrenzung der Rechte des Eigentümers auffasst, gilt nicht für bewegliche Sachen. Damit greift die Analogie zu § 59 UrhG nicht mehr, weil diese Ausnahme ein bleibendes Objekt (im Gegensatz zu den zu bewegenden) voraussetzt. Die Begriffe unbeweglich und bleibend sind zwar nicht vollständig deckungsgleich70), aber in den meisten Fällen liegt ein Gleichlauf vor. Damit ist praktisch jede Abbildung fremden Eigentums, das Auto auf der Straße, der Hund des Nachbarn, der Teller im Restaurant oder der Sonnenschirm am Strand, eine potentielle Eigentumsverletzung.
- Wenn das abgebildete Objekt zugleich unter das Urheberrecht fällt, gehen die Rechte desjenigen, der die Rechte aus dem UrhG inne hat, denen des Sacheigentümers vor. Nach dem BGH gilt das aber nur im Verhältnis zum Inhaber der Verwertungsrechte und nur insoweit, als die Ausübung der Rechte des Eigentümers bestehende Urheberrechte verletzen würde. Das führt zu eigenartigen Ergebnissen.
- Wenn der Eigentümer die Verbreitung von Bildern untersagt, behindert er den Inhaber der Urheberrechte nicht, es sei denn, dass Recht wird unmittelbar gegen ihn geltend gemacht.
- Ein noch nicht gemeinfreies Gemälde kann als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Abbildung öffentlich zugänglich gemacht werden, so dass man seine Kulturbeflissenheit mit einem Baselitz im Hintergrund auch im Internet dokumentieren darf. Das Urheberrecht erlaubt unter gewissen Umständen ein Bildzitat. Nach dem BGH kann aber der Eigentümer der Sache (des Gemäldes) das Bild im Hintergrund oder das Zitat verbieten. Die Schranken des Urheberrechts erweitern damit die Befugnisse des Eigentümers.
Wenn man dem Beispiel der Panoramafreiheit folgt, müssen dann nicht alle Schranken des Urheberrechts (Bildzitat, Beiwerk etc.) auch für den Eigentümer entsprechend gelten? »Die urheberrechtliche Freistellung soll nicht eigentumsrechtlich unterlaufen werden können«, so der BGH. Folgt daraus nicht, dass neben vielen anderen Schranken auch die Gemeinfreiheit als eine zeitliche Schranke für das Sacheigentum gilt, letztlich damit die gesamte Sanssouci-Rechtsprechung für alle Sachen hinfällig ist, weil »Werke, denen von vornherein kein urheberrechtlicher Schutz zukommt«, urheberrechtlich freigestellt sind?
Nochmals Kant: Der Richter muss in der Lage sein, »das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken«, denn wenn »das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben« ist, so sei die Urteilskraft, »welche das Besondere darunter subsumiert, […] bestimmend.« Bei einer ordentlichen Herangehensweise hätte der BGH erkennen müssen, dass das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) nicht die Ausnahme Panoramafreiheit ist, sondern einerseits die dinglichen Rechte (begrenzt auf die Sachsubstanz) und andererseits die Immaterialgüterrechte.
2.2.2 Früchte der Sache
Der BGH hat ausgeführt, bei den Verwertungsrechten würde es sich um Früchte der Sache handeln. Früchte einer Sache sind nach § 99 BGB die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. Die Erzeugnisse eines Grundstücks sind regelmäßig dazu bestimmt, »vom Boden getrennt und nach der Trennung als selbständige Sachen verwerthet zu werden. Solange sie mit dem Boden zusammenhängen, sind sie Theile desselben und ohne besondere d. h. von dem Boden unabhängige Existenz«, wie es in den Motiven zum BGB71) heißt. Aus § 953 S. 1 BGB ergibt sich nichts Anderes. Erzeugnisse einer Sache sind Gegenstände, die zuvor körperlich mit der Sache verbunden waren, weil sonst keine Trennung von der Sache möglich wäre. Vor der Trennung sind sie zwar vorhanden, sind eigentumsrechtlich aber nicht existent. Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt.
Der BGH bezieht sich konkret auf § 99 Abs. 3 BGB, nach dem Früchte auch die Erträge sind, welche eine Sache vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt. Der Begriff des Ertrags ist gesetzlich nicht eindeutig bestimmt.72) Jedoch muss dieser Ertrag vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt werden. Das einzige Rechtsverhältnis, dass etwa in dem Hühnerstall-Fall zwischen dem Eigentümer und dem Fernsehsender oder bei der Vermarktung fremder Fotografien (V ZR 45/10) in Betracht käme, wäre der Verstoß gegen ein Immaterialgüterrecht. Damit sind die Fotografien kein Ertrag aus einem Rechtsverhältnis. Sie sind auch kein Ertrag aus dem Rechtsverhältnis mit dem Fotografen, selbst wenn mit ihm ein Besichtigungs- oder Benutzungsvertrag geschlossen wurde. Diesem wurde in dem Vertrag das Fotografieren untersagt, so dass die Aufnahmen kein Ertrag des Vertrags sind, sondern die Folge eines Vertragsverstoßes.
2.2.3 Betreten des Grundstücks
Nach den ersten Sanssouci-Entscheidungen muss es sich bei dem Betreten um eine Art Tatbestandsmerkmal handeln, da das Betreten des Grundstücks Voraussetzung dafür ist, dass der Eigentümer ausschließliche Verwertungsrechte hat. Es erscheint damit als eine Art Ausnahme, denn andernfalls würde die Verbreitung jeden Bildes, auf dem fremdes Eigentum abgebildet ist, ein Verstoß gegen das exklusive Verwertungsrecht darstellen. 2014 wurde dies konkretisiert. Das exklusive Verwertungsrecht solle nur dann dem Eigentümer zustehen, wenn die Bilder unter »Verletzung der dem Eigentümer zustehenden Befugnis entstanden sind, andere vom Zugang zur Sache oder von deren Anblick auszuschließen«. Nun wurden die Aufnahmen vom Schloss Sanssouci aber gerade nicht unter diesen Umständen aufgenommen (anders hingegen die Aufnahmen in den Hühnerställen), sondern es wurde gegen eine vertragliche Nutzungsbedingung verstoßen. Demnach kann das Betreten an sich kein Tatbestandsmerkmal zu sein.
Das Urteil des OLG Stuttgart zeigt, wie sperrig sich dieser Umstand verhält, wenn das Eigentum an der (urheberrechtlich gemeinfreien) beweglichen Sache schon dann als verletzt gilt, wenn die Sache fotografiert wird. Man muss nur an eine (gemeinfreie) Leihgabe in einem Museum denken. Wer bestimmt in solchen Fällen, ob Bilder der Leihgabe verbreitet werden dürfen, der Eigentümer der Leihgabe oder das Museum?73)
2.2.4 Zuweisungsgehalt
Das Problem, dass das Betreten des Grundstücks in dem Sanssouci-Fall erlaubt war, hat der BGH 2013 über den Zuweisungsgehalt zu lösen gesucht. Der Zuweisungsgehalt werde beeinträchtigt, wenn die Grenzen einer erteilten Einwilligung überschritten werden.
Das widerspricht dem Konzept der Sachenrechte im BGB. Ob etwas zum Zuweisungsgehalt des Eigentums gehört, steht nicht nicht zur Disposition der Parteien. Das Gesetz hat, so die Motive zum Sachenrecht (S. 3), »die Thatsachen, an welche die Erwerbung zu knüpfen ist, nicht minder als den Inhalt der einzelnen Rechte und deren Wesen und Zwecke zu bestimmten. Den Betheiligten kann es daher nicht freistehen, jedem beliebigen Rechte, welches sich auf eine Sache bezieht, den Karakter des dinglichen zu verleihen.« Entweder gehört das exklusive Verwertungsrecht zum Zuweisungsgehalt oder nicht. Es gehört aber nicht nur dann dazu, wenn die Grenzen einer Einwilligung überschritten wurden. 74)
Die rechtliche Natur einer Einwilligung mit den vom BGH angenommenen Wirkungen lässt sich mit dem Abstraktionsprinzip kaum in Einklang bringen: Wenn jemand das Grundstück ohne Erlaubnis betritt oder entgegen der bedingt erteilten Erlaubnis Abbilder anfertigt, hat der Eigentümer ein exklusives Verwertungsrecht, sonst nicht. Demnach scheint das Entstehen des absoluten Rechts (im Gegensatz zum bloß dinglichen) auch von dem Verhalten der Fotografen abzuhängen. Im Hinblick auf andere dingliche Rechte würde das in etwa bedeuten: Das Gartenhaus ist nur dann als Eigentum (oder Bestandteil des Eigentums) anzusehen, wenn jemand das Grundstück betritt. Es ist zwar richtig, dass das in einem Rechtsverhältnis maßgebliche subjektive Recht sich als rechtlicher Anspruch erst manifestiert, wenn es verletzt, bezweifelt oder bestritten wird. Rechtstechnisch sind jedoch dingliche Rechte im verletzten und unverletzten Zustand gleich, so dass es nicht auf die Überschreitung einer Obligation oder die Willkür des Eigentümers ankommen kann.
2.2.5 Absatzerschwerung
Nach dem Urteil aus dem Jahr 2014 soll eine rechtswidrige Eigentumsverletzung nur in Betracht kommen, wenn »die Fotografien unter Verletzung der dem Eigentümer zustehenden Befugnis entstanden sind, andere vom Zugang zur Sache oder von deren Anblick auszuschließen und ihnen damit die Möglichkeit der Ablichtung und deren Verwertung abzuschneiden oder zumindest zu erschweren.« Auch hierbei scheint es sich um ein neues, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu handeln, das keine Stütze im Gesetz findet. Worauf der BGH – außer einem Wettbewerbsverbot – abzielt, ist unklar. In keinem der oben geschilderten Fälle wurde dem Eigentümer die Möglichkeit genommen, Fotografien oder Filme von seinem Eigentum anzufertigen oder es Dritten gegen Entgelt für Aufnahmen zur Verfügung zu stellen. Es kann demnach nur darum gehen, dass der Eigentümer keine Wettbewerber wünscht, die die gleiche oder eine ähnliche Leistung anbieten.
Ein sinnvolles Abgrenzungskriterium ist dies schließlich auch nicht. Zahllose Objekte – Kleidung, Uniformen, Kraftfahrzeuge, Pflanzen, Möbel – praktisch alles kann und wird z. B. Film- oder Theaterkulisse vermietet. Soll diesen Eigentümern das exklusive Verwertungsrecht zugesprochen werden oder soll das Sonderrecht nur dann entstehen, wenn es um die Möglichkeit des Wettbewerbs geht?
Wenn die anderen Voraussetzungen vorliegen würden, käme ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 4 Nr. 3 c) UWG (Nachahmung) oder Nr. 4 (Behinderung) etwa bei Reproduktionsfotografien in Betracht, dem allerdings – ähnlich wie bei einem abgelaufenen Patent – bei Werken im Sinne des Urheberrechts die Gemeinfreiheit als lex specialis entgegen stehen müsste. Bei anderen Sachen – beispielsweise industriell hergestellten Produkten – dürfte in der Regel das Tatbestandsmerkmal »die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen« im Hinblick auf die konkrete Aufnahme und deren Motiv nicht erfüllt sein.75)
2.2.6 Abschließend
Die vorstehenden Aspekte mögen zwar spitzfindig sein, aber sie zeigen, dass der BGH mit der Sanssouci-Entscheidung die grundlegende Konzeption des deutschen Zivilrechts missachtet wird (das rechtliche Wesen der absoluten Recht und der dinglichen Rechte, Abstraktionsprinzip). Man kann solche Entscheidungen aufrecht erhalten, nur wäre das praktisch common law. Es werden absolute Rechte aus Umständen kreiert und Konsequenzen aus Voraussetzungen gezogen, die keine Grundlage im Gesetz haben.
Sinnvoller ist es, wenn man es bei den üblichen rechtlichen Möglichkeiten belässt. Wer gegen das Verbot, Fotografien anzufertigen, verstößt, kann des Grundstücks verwiesen werden, es kann Hausverbot erteilt oder eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert werden. Man kann darüber nachdenken, ob z. B. im Rahmen der Naturalrestitution von dem Fotografen eine Vernichtung der Aufnahmen gefordert werden kann (mangels Schaden zweifelhaft, weil sich ein Schaden ohne Recht am Bild der Sache schwer darstellen lässt).
Für diesen Fall ein absolutes Verwertungsrecht am Abbild einer Sache zu begründen (was, wie man der Urheberrechtsdiskussion entnehmen kann, einer Enteignung des Fotografen gleich kommt), lässt sich ohne schwerwiegende Brüche mit dem Zivilrecht kaum begründen.76)
— Eckhard Höffner 2018/08/14 23:13 —-
- LG Berlin, Urteil vom 31. Mai 2016 (15 0 428/15)
- OLG Stuttgart - Urteil vom 31.Mai 2017 (Az. 4U 204/16)
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