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4 Deutschland − Staatenwettbewerb

4.4 Privilegienzeit

In Deutschland kann man mehrere Perioden des Buchhandels unterscheiden:

  1. Den frühen Wanderhandel mit wenigen lokalen Geschäften,
  2. das in etwa während der Epoche des Barocks anzusiedelnde Tauschzeitalter und
  3. die Umbruchzeit, in die auch das Nachdruckzeitalter ab dem Siebenjährigen Krieg fällt, die in den
  4. modernen Konditionenhandel mündete.

Die Zeit bis zum Inkrafttreten des preußischen Urhebergesetzes 1837 wird in der rechtshistorischen Literatur zum Urheberrecht üblicherweise als Privilegienzeit umschrieben.1) Die Privilegien sind in mehreren Schriften relativ genau untersucht worden.2) Arbeiten, die sich nur mit der Sekundärliteratur befassen, gehören zu den kritischen Auseinandersetzungen mit den Kritikern, aber nicht mit dem historischen Gegenstand.

Die umfassenderen Darstellungen der Sekundärliteratur zur Geschichte des Urheberrechts orientieren sich bei der Beurteilung der Privilegien daran, inwieweit die Privilegien dem heute geltenden Urheberrecht gleichen, also ob sie dem Autor gewährt wurden, für welche Dauer, ob sie vom Druck abhängig waren etc. Maßstab sind vor allem die von den absolutistischen Fürsten erteilten Ausschließlichkeitsrechte. Aufgrund der territorial beschränkten Reichweite der Druckerordnungen waren die in Form der Privilegien erteilten Ausschließlichkeitsrechte zwar nicht »die einzigen Instrumente des Schutzes«,3) aber die bedeutendsten, auch wenn sie tatsächlich wenig wirksam waren. Die Bedeutung der Städte wird in der Diskussion gleichwohl vernachlässigt, obwohl Druckorte wie Augsburg, Basel, Frankfurt am Main, Nürnberg, Köln, Straßburg oder Ulm keinem Landesfürsten unterstellt waren.

Der deutsche Kaiser hatte zwar auch die Möglichkeit, im Rahmen des Bücherregals Privilegien zu erteilen, jedoch wurden sie nach dem Dreißigjährigen Krieg von Territorialhoheiten immer weniger beachtet. Um in einem ausländischen Staat oder einer Freien Stadt einen Absatzschutz zu erhalten, war es notwendig, dass die dortige Territorialhoheit das Recht einem Exterritorialen gewährte. Die Druckerordnungen sollten hingegen fremde Konkurrenten möglichst ausschalten, boten Fremden kein eigenes Recht, und Privilegien anderer Hoheiten wurden nicht anerkannt.

4.4.1 Privilegien waren die Ausnahme

Im deutschsprachigen Raum wurden Druckprivilegien über mehr als 300 Jahre an Autoren, Bearbeiter, Drucker oder Verleger bis in das 19. Jahrhundert hinein erteilt.4)

Das erste deutsche Privileg für ein Buch stammt von 1501. Erst § 71 Abs. 1 des Urhebergesetzes 1870 bzw. 1871 untersagte schließlich die (zusätzliche) Privilegienvergabe. Dieses Gesetz galt zunächst nur für den norddeutschen Bund, wurde jedoch 1871 im gesamten Kaiserreich in Kraft gesetzt.

Der Begriff Privilegienzeit ist angesichts der Bedeutung dieses typischen Regelungsinstruments des absolutistischen Fürsten, der es für alle möglichen Sachverhalte einsetze und nach Gutdünken gestalten konnte, wenig aussagekräftig. Es kommt darin eine Überbewertung der Privilegien für den Buchhandel zum Ausdruck, die den damaligen Anschauungen im Handel wohl kaum gerecht wird. Im 16. Jahrhundert wurden nur vereinzelt Privilegien beantragt und erteilt.5) Koppitz, der den Bestand der Akten beim kaiserlichen Reichshofrats gesichtet hat, schätzt, dass von 1500 bis 1800 nur für einen verschwindend kleinen Anteil, weniger als ein Prozent der Neuerscheinungen, Privilegien beantragt wurden.6) Das sind zwar nur die kaiserlichen Privilegien, nicht die der Landesfürsten, jedoch ist nicht ersichtlich, dass landesherrliche Privilegien in viel größerem Ausmaße beantragt wurden. Auch in Frankreich war die Zahl der Priviliegien deutlich, als man nach der typischen Urheberrechtsliteratur zu vermuten geneigt ist. Laut Birn7) sollen zwischen 1700 und 1789 (einige Unterbrechungen) nur 2586 Anträge auf auf Erteilung eines Privilegs gestellt worden sein, von denen zwei Drittel erteilt wurden. Damit dürften für weniger als zwei Prozent der Neuerscheinungen Privilegien erteilt worden sein.

4.4.2 Förderinstrument des Fürsten

Im wirtschaftspolitischen Bereich war das Privileg ein Förderinstrument des Fürsten, der die Produktion von konkret vermarktbaren Güter im eigenen Hoheitsgebiet unterstützte und unter anderem durch die Verleihung eines Ausschließlichkeitsrechts förderte.

Die Wahlkapitulation Karls V. ordnet die Privilegien in Art. 4 unter folgende Gegenstände ein:

Regalia, Oberkait, Freiheiten, Privilegien, Phandschaften und Gerechtigkeiten, auch Gebrauch und guete Gewonheiten, so sie bisheer gehebt oder in Ubung gewesen sein, zu Wasser und zu Lande.

Die Befugnis zur Privilegienerteilung war Teil der Gesetzgebungsgewalt des Fürsten, ein »gesetzliches Steuerungsinstrument des Rechts« 8) Klippel9) bezeichnet es als »für den absolutistischen-merkantilistischen Ständestaat typisches Steuerungsinstrument«. Produzenten machten ihre Investitionsentscheidung oft davon abhängig, welche Sonderrechte ihnen eingeräumt wurden. Die Staaten versuchten dieses Interesse in bestimmte Bahnen zu lenken. Das Recht wurde als Standortfaktor zur Verhandlungmasse, da durch das Ausschließlichkeitsrecht die Chance auf überdurchschnittliche Gewinne den Investitionsanreiz im Inland erhöhte. Die Erfindungs- und Einführungsprivilegien wie auch das ausschließliche Vervielfältigungsrecht von Schriften waren eingereiht unter einer Vielzahl von hoheitlich gewährten Privilegien und anderen merkantilistischen Praktiken (wie Schutzzöllen), weil die Herrscher in der Regel alle Güter im Inland produzieren lassen wollten, um den Abfluss der Zahlungsmittel ins Ausland zu vermindern. Bei den Gewerbeprivilegien handelte der Fürst eher wie ein Unternehmer, der die Produktion in seinem Betrieb ordnet, indem er einem Untertanen nicht nur die (unter Umständen ausschließliche) Befugnis einräumte, sondern auch die Pflicht zur Ausübung auferlegte. Es war nicht nur das ausschließliche Recht, ein bestimmtes Gut zu produzieren, sondern auch die allerdings nur in beschränktem Maße durchsetzbare Pflicht. Den Privilegien lag nicht zwingend eine Rechtsnorm zu Grunde. Sie konnten, mussten aber nicht im Einklang mit einem allgemeinen Rechtsgrundsatz erteilt werden. Zumeist sollten sie ein Sonderrecht verleihen, das damit zwar Recht schuf, aber keine allgemeine Rechtsregel bestätigte oder bekräftigte.10)

Die absolutistischen Fürsten sahen sich bei der Vergabe der Privilegien wie auch sonst in ihrem politischen Wirken nicht an bestimmte Regeln gebunden. Nicht nur in Frankreich, auch die deutschen absolutistischen Fürsten, die als Souverän auch souverän – »weil ich es so will«, wie es in den Anordnungen der französischen Könige regelmäßig hieß – entschieden, richteten sich nach ihren eigenen Überzeugungen oder überließen das Feld den von ihnen ausgewählten Beamten. Die vollständig gegensätzliche Ausrichtung der Staatspolitik der preußischen Könige Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. mag als Beispiel dienen. Die Fürsten sind, wie Cardin Le Bret 1632 in seinem Traktat De la souverainité schrieb, »nicht verpflichtet, irgend einer Macht auf Erden Rechenschaft zu geben, erfreuen sich aller Rechte, die sich aus unbegrenzter und absoluter Macht ergeben, und sind in ihrem Herrschaftsbereich völlig souverän«, und weiter »die königliche Macht ist ebenso unteilbar wie der Punkt der Geometrie«.11) Die folgende Äußerung aus der Thronrede James I. 1603 war keineswegs satirisch gemeint, auch wenn er eine extreme Auffassung von seinem Gottesgnadentum hatte: »Gott hat Gewalt, zu schaffen und zu vernichten, Leben und Tod zu geben. Ihm gehorchen Leib und Seele. Dieselbe Macht haben die Könige, sie schaffen und vernichten ihre Untertanen, gebieten über Leben und Tod, richten in allen Dingen, sind niemanden verantwortlich als Gott allein. Sie können mit ihren Untertanen handeln wie mit Schachpuppen, das Volk wie eine Münze erhöhen und herabsetzen«.12) In dem 1598 geschriebenen Buch The True Law of Free Monarchies führte er aus, dass der König seine Autorität von Gottes Gnaden erhalte und dass es ein Sakrileg sei, wenn das Parlament dem König nicht folgte, so dass je nach individueller Einstellung des Fürsten oder der von ihm eingesetzten Beamten ein unterschiedlicher Maßstab zur Anwendung kommen konnte. Bis in die letzten beiden Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts hinein war die Auffassung, der Fürst sei an die von ihm selbst gegebenen Gesetze nicht gebunden, auch unter den Autoren des Naturrechts weitgehend unbestritten.13)

4.4.3 Regelmäßigkeit, kein gültiger Rechtssatz

Auch wenn die Fürsten sich nicht an ein bestimmte Vorgaben gebunden sahen, ist die Ansicht von Wadle14), man müsse die Umstände und Bedingungen jedes Einzelfalles ermitteln, um die Praxis der Privilegienerteilung näher zu erfassen, zumindest für die Druckprivilegien übertrieben. Fritsch15) führt am Ende des 17. Jahrhunderts z. B. aus, dass die kaiserlichen Druckprivilegien bestimmten Standards entsprochen haben.

Im Buchhandel ist dies insbesondere für Frankreich untersucht worden. Mit Wechsel des für den Buchhandel zuständigen Beamten oder mit neuen Ministern änderte sich auch die Praxis der Privilegienerteilung, die dann aber eine gewisse Konsequenz aufwies. In Frankreich hatte der König 1726 gesagt, dass nur er Druckprivilegien erteile und entziehe und in dieser Hinsicht jedem Anspruch auf ein garantiertes Eigentum eine Absage erteile. Nachdem 1726 eine von Louis d'Héricourt verfasste Petition dem königlichen Siegelbewahrer Fleuriau d'Armenonville von Pariser Buchhändlern überreicht wurde, in der dargelegt wurde, dass die Werke unabhängig von einem Privileg als Eigentum anzusehen seien (für die Durchsetzung des Rechts hätte die Pariser Gilde aufgrund der hoheitlichen Zunftbefugnisse selbst sorgen können), geriet d'Armenonville so in Rage, dass zwei Gildenmitglieder zum Rücktritt von ihren Ämtern gezwungen wurden und der Drucker des Pamphlets aus Paris fliehen musste, da ihm Gefängnis drohte.16) 1777 erklärte er, dass die Privilegien eine Gnade seien, die ihre Grundlage in der Gerechtigkeit hätten.

Wenn man sich nicht mit einzelnen Privilegien und der individuellen Geisteshaltung der für die Erteilung zuständigen Personen beschäftigt, so kann man Regelmäßigkeiten, aber keinen allgemein gültigen Rechtssatz aufzeigen.

Einen Rechtsanspruch auf ein Privileg gab es nicht, da sie aufgrund des allgemeinen Herrschaftsanspruchs des Fürsten gewährt wurden.17) Manche waren auf die Personen zugeschnitten, so dass teilweise nicht sicher war, ob sie über die Lebensdauer des Verleihenden oder des Beliehenen hinaus wirksam waren.18)

Bei Standardwerken wie Kalender oder Schulbücher gab es als simple Methode den Preis: Das Privileg wurde meistbietend verkauft.

In Venedig gab es klare Regeln zur Erteilung der Privilegien. Für absolut neue Bücher wurden Privilegien mit der längsten Dauer von 20 bis 30 Jahren zugesprochen, für noch nie in Venedig gedruckte oder seit einigen Jahren vergriffene Bücher wardie Privilegiendauer mit fünf bis fünfzehn Jahren kürzer.19) Diese Regeln entsprachen teilweise den gängigen Kriterien:

  • absolute Neuheit
  • Neuheit im Territorium
  • Nützlichkeit
  • inhaltlich unbedenklich
  • Erteilung an Gebietsfremde
  • Abgabe Pflichtexemplare
  • Zahlung einer Gebühr

Druckprivilegien integrierten sich weitgehend in das allgemeine System der damaligen Wirtschaftspolitik. Die Einschränkung weitgehend ist erforderlich, da ein Teil der Druckprivilegien auch an Fremde erteilt wurde, was bei anderen Privilegien selten geschah.20) Das Privilegienwesen des 18. Jahrhunderts war grundsätzlich eingebettet »in die Zweckmäßigkeitserwägungen guter ,Policey`, die der Erreichung der Glückseligkeit dienen, also des für die politische Theorie des aufgeklärten Absolutismus typischen Staatszwecks.« Neben wirtschaftspolitischen oder individuellen Interessen hätte auch das Ziel der Verbilligung der Bücher oder deren besseren Erhältlichkeit bei der Erteilung von Privilegien eine Rolle gespielt.21)

Nicht allen Werken wurde das Privileg zugesprochen, auch wenn es mit der Zahlung einer Gebühr und der Abgabe von Pflichtexemplaren verbunden war und so dem Herrscher Einnahmen versprach. Die Kosten variierten in Abhängigkeit vom Umfang des Werkes oder der Dauer und betrugen in Wien um 1780 offenbar (neben den Pflichtexemplaren) zwischen drei und zwanzig Gulden, teils auch mehr.22)

In manchen Ländern wurden zeitweilig ausländischen Werken oder Personen überhaupt keine Privilegien erteilt, so etwa in den Vereinigten Niederlanden23) nach dem Dreißigjährigen Krieg oder in Österreich unter Maria Theresia. Damit entfiel die Möglichkeit für ein Privileg für Gebietsfremde auch in den Erblanden.24)

Maßgebliche Aspekte für die Erteilung der Privilegien waren in der Regel Verlagsaufwand, Manuskriptaufwand (des Autors selbst oder das an ihn gezahlte Honorar), Autorenkonsens, Druck, Lieferfähigkeit und damit der Nutzen eines Werkes für die Allgemeinheit.25) Der Antrag auf Erteilung eines Privilegs enthielt oft Darlegungen über den Nutzen, den Wert des Buchs und die Neuheit. Der Nützlichkeitsaspekt war für Privilegien allgemein von Bedeutung. »Eine Konsequenz solcherart fehlender ,utilatas` hätte nach der Privilegienlehre der Entzug des Privilegs sein können«.26) Vor allem bei den frühen Privilegien stand die Förderung der Wissenschaft und Bildung im Vordergrund.27) So konnte die Erteilung eines Privilegs durchaus als hoheitliche Anerkennung der Leistung des Verfassers eingestuft werden, war doch mit dem Privileg der Ausspruch der Obrigkeit verbunden, dass es sich um eine besondere Leistung handele.28) Allerdings sind die Ablehnungsgründe angesichts fehlender ausführlicher Begründung schwer zu erkennen, es sei denn, es handelte sich offensichtlich um ärgerliche Schriften, also solche gegen den Kaiser, den Reichsfrieden, die Kirche, lasterhafte Schriften etc.29)

4.4.4 Verknüpfung mit dem Druck

Privilegien wurden nur für den Druck beantragt, weil sie nur für den Druck benötigt wurden. Für ein Manuskript in der Schublade war kein Nachdruckverbot notwendig. Die Veröffentlichungsabsicht sei in allen (»Hunderte«) untersuchten Privilegien zum Ausdruck gekommen.30) Die Ansicht, dass der Nachdruck nur von Werken verboten war, bei denen »die schöpferische Leistung […] bereits glaubwürdige Gestalt gefunden« habe (so Pohlmann S.~194), ist nicht zutreffend. Als Gegenbeispiel mag das Zedlersche Lexikon dienen, das erst noch geschrieben werden musste. Im übrigen wurde – jedenfalls bei kaiserlichen Privilegien – das Vorliegen eines Erstdrucks überhaupt nicht weiter überprüft und auch das gleiche Werk gelegentlich doppelt privilegiert.31)

Da exklusive Druckprivilegien in der Regel nur im Zusammenhang mit dem Druck sinnvoll waren, waren sie schon aus Sicht des Antragstellers eng mit dem Druck verknüpft. Drucker, Verleger oder Autoren investieren Geld und Zeit. Die wirtschaftliche Produktion setzt den Druck von vielen Exemplaren voraus. Wenn diese qualitativ hochwertig gedruckt wurden, also schöner und fehlerfreier Satz auf gutem Papier und mit anständigen Lettern, war die Produktion teuer und risikoreich. Nachdrucke senkten die Nachfrage nach den teureren Erstdrucken, erhöhten das Risiko und stellten die Wirtschaftlichkeit der Investition in Frage. Um das Risiko dieser Tätigkeit zu minimieren (oder die Renditechancen zu erhöhen), wurde ein ausschließliches Recht für eine beschränkte Dauer erteilt. Für Drucke wurden dementsprechend in der Mehrzahl den Verlegern – diese hatten in wirtschaftlicher Sicht Konkurrenten, nicht die Autoren – Ausschließlichkeitsrechte zugestanden. Die ersten Kapitalgeber als Verleger der Drucker traten in Italien in Erscheinung, und nahezu zwangsläufig wurden auch in Italien die ersten Privilegien nachgefragt und erteilt.

So wurde beispielsweise für die Reichspolizeiordnung von 1530 (Augsburg) ein Druckprivileg an Matthäus Auerbach, vermutlich der Verleger, denn der Drucker war Johann Schöffer in Mainz, erteilt.32)

Da Privilegien den Charakter einer Ausnahme hatten, war die Praxis der Gewährung und Durchsetzung der Nachdruckverbote in den einzelnen Fürstentümern vielgestaltig und veränderte sich im Laufe der Jahre. Privilegien konnten für neue Texte, für Werke verstorbener Autoren, für Noten, für den erstmaligen Druck eines Werks in Deutschland oder auch aufgrund guter Beziehungen zum Reichshofrat erlangt werden.33) Teilweise, wenn auch nicht unumstritten, erstreckte sich das Privilegium auch auf alle von einem katholischen Orden, Buchhändler oder Drucker herausgegebenen oder noch herauszugebenden Werke.34)

Das mit Abstand umfangreichste enzyklopädische Werk, das im Europa des 18. Jahrhunderts hervorgebracht wurde, war das Grosse vollständige Universallexicon aller Wissenschafften und Künste. Bis 1754 wurden 68 Foliobände mit rund 68.000 Seiten veröffentlicht. Für dieses Lexikon wurde dem Verleger Johann Heinrich Zedler vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. 1731 ein wohl typisches Privileg erteilt. Darin wurde das Verbot ausgesprochen, dass

sich niemand unterstehen solle, ohne ihren Wissen und Willen dasselbe in den nechsten Fünff Jahren, weder gantz noch zum Theil, weder durch Extracte noch in andern Format, vermehret oder vermindert, noch auf diese oder andere Art verändert, nachzudrucken noch zu verlegen, weniger die auf einige vorbenannte Weise ausser Unserm Gebiethe von andern gedruckte oder verlegte Exemplaria in Unsere Lande einzuführen, und darin heimlich oder öffentlich zu verhandeln, oder auf andere Art zu distrahiren […] Wir und Unsere Nachkommen wollen auch mehrgenannten Johann Heinrich Zedler, seine Erben und Cessionarien, die Zeit der Fünff Jahre über dabey allergnädigst schützen

Man kann an dem Privileg erkennen, welche Gefahren der Verleger sah. Es war untersagt, einen Nachdruck ganz oder zum Teil, in einem anderem Format oder mit gekürztem, erweiterten oder veränderten Text selbst vorzunehmen oder zu veranlassen (verlegen). Ferner waren die Einfuhr eines körperlichen Nachdrucks wie auch bloße Vertragsschlüsse über den Kauf von Nachdrucken verboten. Das Verbot des Handels betraf also auch bloße Verträge über die Lieferung eines Nachdrucks, ohne dass der Nachdruck selbst in das Territorium eingeführt werden musste. Der Verstoß gegen das Nachdruckverbot war

bey Confiscation aller Exemplarien, sie mögen angetroffen werden bey wem sie wollen, auch einer Geld-Strafe von Tausend Marck Löthigen Goldes, halb Unserm Fisco, und die andere Helffte nebst den Exemplarien dem Impetranten

strafbewehrt. Die Strafandrohung war eine typische, die »Gesetzeseigenschaft konstituierende Wirkung« der Privilegien, da allgemeingültig und unter Androhung einer Strafe das Gebot ausgesprochen wurde, »den Privilegierten bei der Ausübung seines Rechts nicht zu stören.«35) 1000 Mark »Löthigen Goldes« war eine äußerst hohe Geldsumme. Andere Privilegien waren beispielsweise mit fünf Mark löthigen Goldes bewehrt.36)

Das übliche kaiserliche Privileg, das für ein bestimmtes Buch einem Buchhändler erteilt wurde, lautete nach dem Dreißigjährigen Krieg wie folgt:

Kund und zu wissen sey hiermit allen Buchdruckern, Buchführern, Buchbindern und anderen, die den Bücherhandel, auf was Art es immer seyn möge, treiben; daß von Ihro Römisch Kayserlichen Majestät der ersten Auflage dieses Wercks ein Privilegium allergnädigst verwilliget seye; soll demnach keiner sich gelüsten lassen, dieses Werck innerhalb des H. R. Reichs, und der Kayserl. Majestät Erb-Landen und Königreiche in einem anderen Druck miteinander oder zum Theil aufzulegen, einzuführen, und heimlich oder öffentlich auszutheilen oder zu verkauffen, bey Straf 10 Marck Goldes und Verlust der Exemplarien, wie der Inhalt besagten Privilegii des mehrern zeigte.37)

4.4.5 Befristung

In der Regel waren Privilegien befristet auf zwei bis zehn, teils auch zwanzig Jahre; dies war wohl der geschätzte Zeitraum für den Absatz der ersten Auflage.38) Auch Diderot39) ging davon aus, dass der Absatz einer Auflage durchschnittlich zehn Jahre dauert. In den Druckerordnungen von Frankfurt und Nürnberg wurde die neue Auflage als natürlicher Zeitpunkt für einen möglichen Wechsel des ausschließlichen Druckrechts angesehen (teils mit Schutz für die nicht verkaufte Restauflage). Die Befristung auf die Dauer des Absatzes der ersten Auflage kann durchaus im Zusammenhang mit den besonderen Kosten für den Satz und Druck gesehen werden. Die Frist war so bemessen, dass das Werk erscheinen und der Verleger die Kosten amortisieren konnte. Nachdem diese Kosten erwirtschaftet waren, bestand kein gerechtfertigtes Interesse für das Monopol mehr, und das Ziel des Staates, das Erscheinen des neuen Werkes zu ermöglichen, war erfüllt. Es gab aber auch unbefristete Privilegien, und ab dem 17. Jahrhundert wurden in Deutschland Verlängerungen oder, genauer gesagt, (entgeltpflichtige) Erneuerungen üblich.40)

4.4.6 Alte und neue Werke

Seit dem 16. Jahrhundert war es üblich, dass die Zustimmung des Autors zum Druck vorliegen musste, damit ein Privileg erteilt wurde.41) Laut Kapp wurden Privilegien allerdings in den frühen Jahren des Buchdrucks bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in großer Anzahl für Schriften der antiken Klassiker und sonstige ältere Werke erteilt, die in den Bibliotheken der Klöster und Fürsten in ganz Europa als Handschriften zu finden waren.42) Venedig schrieb hingegen bereits 1517 vor, dass Privilegien nur noch für »libri et opera nova«, also neue Werke, erteilt werden durften.43)

Die toten Autoren konnten selbstverständlich nicht zustimmen. Bei anderen Werken mussten die Drucker erst in den Besitz des Manuskripts gelangen, um überhaupt eine Druckvorlage zu haben, was ihnen unter normalen Umständen ohne den Autorenkonsens nicht gelang. Somit war in aller Regel derjenige, der die Zustimmung des lebenden Autors hatte, zugleich der erste Drucker oder Verleger des Werkes. Der Autorenkonsens autorisierte den Wortlaut und wurde ein wesentliches Argument, auf das die Verleger insbesondere zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihre Ansprüche stützten.44) Dies kam schon bei den Vereinigten Punkten zum Ausdruck, wo die strikte Achtung des Vertrages eines Verlegers mit dem lebenden Autor den Kern der Begründung für das Nachdruckverbot darstellte. Gieseke spricht in diesem Zusammenhang von Verlagseigentum, das an den Erstdruck anknüpfen soll (die Praxis lässt diese Verallgemeinerung allerdings nicht zu).45) Gieseke ging ursprünglich46) davon aus, das Verlagseigentum sei ohne Privileg allein durch den Erstdruck entstanden.

4.4.7 Autorenprivilegien keine Ausnahme

Entgegen der in der rechtshistorischen Literatur verbreiteten Vermutung waren die Autorenprivilegien nicht die große Ausnahme. So schätzt Koppitz, dass ein Viertel bis zu einem Drittel der Privilegienanträge von Autoren, Übersetzern und Kompilatoren stammten, der Rest von Druckern, Verlegern und Buchhändlern.47) Sie wurden im Hinblick auf einen bevorstehenden Druck beantragt und erteilt, wenn die Autoren also selbst als Verleger handeln wollten oder das Privileg einem Drucker Sicherheit für den Absatz verschaffen sollte.48) Allerdings nutzten die Autoren die ihnen erteilten Privilegien auch, um unterschiedliche Auflagen anderen Verlegern zu überlassen.

Eckhard Höffner 2017/10/19 15:44

Fortsetzung folgt


1)
Wadle S.~102, 119; Loewenheim/others/Vogel S.~7, RdNr. 2–6, m w. Nachw.
2)
Bappert; Pohlmann; Gieseke; Bosse, sowie die im Laufe des Textes aufgeführten Arbeiten von Barbara Dölemeyer, Diethelm Klippel oder Elmar Wadle.
3)
so aber Wadle S.~145; ähnlich etwa Vogel S.~20; Schottenloher S.~89.
4)
Gieseke S.~24; Gieseke S.~41, 66; Wadle S.~377.
5)
Gieseke 52, 58.
6)
Koppitz S.~354; Ders., Die kaiserlichen Druckprivilegien im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. München: 2008, Harrassowitz. Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv, Bd. 75.
7)
Birn S.~149.
8)
Mohnhaupt S.~108.
9)
Klippel S.~287.
10)
Mohnhaupt S.~278 f., 304–310; Wadle S.~124; Weber S.~535; Klippel S.~287–289. Walz S.~456, weist darauf hin, dass der Rechtsgewinn eines Gewerbeprivilegs oft nur die sowieso freie Gewerbetätigkeit nochmals absicherte (bezogen auf Württemberg).
11)
zit. nach Tapié S.~295 f.
12)
Zit. nach Friedell S.~37 (Bd. 2).
13)
Vgl. Klippel S.~332–337.
14)
Wadle S.~335.
15) , 37)
Fritsch S.~40 f.
16)
Vgl. Birn S.~144 f.
17)
Siegrist S.~66; Gieseke S.~56, 88.
18)
Mohnhaupt S.~53, unscharf Bosse S.~27.
19)
Borghi S.~147–154.
20)
Für die kaiserlichen Privilegien, vgl. Koppitz S.~352.
21)
Klippel S.~337. Er ist der Meinung, man könnte in den Privilegien nicht die Wurzeln des modernen gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts sehen, denn sie seien mit dem freien Markt und dessen Grundlagen nicht vereinbar. Unklar ist, wieso moderne Immaterialgüterrechte mit dem freien Markt vereinbar sein sollen, da deren Wirkung weitgehend identisch ist. Privilegien hatten wie die modernen Immaterialgüterrechte den Zweck, den freien Markt einzuschränken oder zu beseitigen, indem sie den Wettbewerb mit dem monopolisierten Gut unterbinden.
22)
Koppitz S.~206.
23)
In Holland wurden insbesondere die französischen Werke systematisch und in hoher Qualität nachgedruckt; Kapp S.~498
24)
Pütter S.~203.
25)
Koppitz S.~362–367; Vogel, Sp. 19–22; Bosse S.~29; Gieseke 60–66; für Frankreich Armstrong S.~79 f.
26)
Mohnhaupt S.~359, 376.
27)
Schottenloher S.~90.
28)
Vgl. auch die Beispiele aus Schottland bei Mann S.~56–60.
29)
Koppitz S.~372.
30)
So Pohlmann S.~192; vgl. auch Bappert S.~192; Bappert S.~445–449; Gieseke 71.
31)
Koppitz S.~366.
32)
Schottenloher S.~98; Weber S.~46.
33)
Bappert S.~207; Kohler S.~85; Gieseke S.~60–66; Vogel, Sp. 15–17. Bei Pohlmann S.~262–297, sind Privilegien und teils auch die Anträge von 1511 bis 1756 aus Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien oder Dänemark abgedruckt.
34)
Koppitz S.~367; Kapp S.~747.
35)
Mohnhaupt S.~277; vgl. auch das Zitat aus Lobethans Abhandlung über die Privilegien (1796) bei Klippel S.~288.
36)
Die Angabe von Pohlmann, GRUR 1960, 278, zehn Mark löthigen Goldes entsprächen etwa 750 DM, ist falsch. Löthiges Gold war eine Rechnungseinheit und nicht als Münze im Umlauf. Eine Mark löthigen Goldes hatte ab 1750 den Wert von 96 Taler, eine Mark löthigen Silbers den Wert von acht Taler (vgl. Döring S.~23). Zehn Mark löthigen Goldes, also 960 Taler, entsprachen über zehn Jahreseinkommen eines ausgebildeten Arbeitnehmers. Bei Fritsch S.~41 f., sind drei Entscheidungen über die Verwirkung von Strafen abgedruckt.
38)
Pütter S.~22; Kapp S.~740; Bappert S.~208; Gieseke S.~71; Bosse S.~27 und Rehbinder S.~70 (Schweiz).
39)
Diderot S.~35.
40)
Koppitz S.~367; Bappert S.~214; Gieseke S.~77.
41)
Bappert S.~167 f; Gieseke S.~70, 116 f.; Klostermann S.~3; Pfister S.~122.
42)
Kapp S.~745.
43)
Rose S.~10; Borghi S.~146.
44)
Bosse S.~29–34.
45)
Gieseke S.~93–105, m. w. Nachw.; Bappert S.~217 ff.; Steiner S.~44–48.
46)
Gieseke S.~51 f.
47)
Koppitz S.~354 f. Vgl. Pohlmann, (Komponisten); Pfister S.~120 f., (Frankreich).
48)
Bappert S.~183 ff; Bosse S.~27; Gierke S.~751; Gieseke S.~59, 63, 68, 71; Steiner S.~42; Müller S.~1.

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