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Uploadfilter

Der Gegenstand und die Problematik dürfte ausreichend bekannt sein. Zumeist wird das Thema merkwürdig angegangen, weil der Ausgangspunkt verschoben ist.

Urheberrecht

Als Grundlage muss man das geltende Urheberrecht nehmen, nicht die Uploadfilter oder deren technischen Probleme, z. B. Satire zu erkennen. Die Uploadfilter sollen nur das Unterscheiden des Erlaubten vom Verbotenen technisch abwickeln.

Das Urheberrecht ist von der Konzeption her ein Kulturunterbindungsgesetz. Mit dem Urheberrecht werden weitgehende Verbote im kulturellen und informationstechnischen Bereich ausgesprochen. Der Zweck dieses umfassenden Kulturnutzungsverbots liegt jedoch nicht darin, dass die Nutzung tatsächlich unterbleibt. Vielmehr geht es darum, dass man Befreiungen von dem Verbot verkaufen kann. Die Befreiung (lat. licencia) von dem Verbot kann der Rechtsinhaber gegen Entgelt auf dem Markt anbieten. Auf diese Art soll unter anderem sicher gestellt werden, dass der Urheber eine Vergütung für seine Leistung erlangen kann. Auch Unternehmen, in der Regel Verlage, profitieren von dem Verbot.

Notice and Take Down

Hintergrund der Debatte über die Uploadfilter ist eine Ausnahme. Normalerweise stellt die sog. öffentliche Zugänglichmachung (etwa im Internet präsentieren) ohne Zustimmung des Rechtsinhabers eine Verletzung des Urheberrechts dar. Ob dabei ein Schaden oder Nachteil entsteht, ist belanglos. Mit dem Rechtsverstoß werden nach deutschem Recht zumindest zwei Ansprüche ausgelöst: Unterlassung und Herausgabe der Bereicherung; bei Verschulden auch Schadensersatz. Diese Ansprüche entstehen bei den Plattformen aber erst, wenn der Plattformbetreiber auf den Rechtsverstoß aufmerksam gemacht wurde und nicht reagiert (notice and take down). Wenn er auf den Hinweis hin rechtzeitig reagiert, haftet der Plattformbetreiber nicht.

Die Änderung der Urheberrechtsrichtlinie will nunmehr das sogenannte Haftungsprivileg aufheben, so dass die Plattform bereits dann haftet, wenn ein Nutzer rechtswidrig Material hochlädt und dieses über die Plattform öffentlich zugänglich gemacht wird. Im Richtlinienentwurf sind komplizierte Regelungen enthalten, was der Plattformbetreiber unternehmen soll, um der Haftung zu entgehen. Wie diese in nationales Recht umgesetzt werden und wie die Umsetzung dann von den Gerichten ausgelegt wird, ist noch offen.

Hohe branchenübliche Standards

In dem Entwurf spürt man die Unsicherheit über die Möglichkeiten und die Folgen der Regelung. So sollen sich die Plattformbetreiber exkulpieren können, wenn sie unter anderem alle Anstrengungen unternommen haben„ und im Einklang mit hohen branchenüblichen Standards und mit hoher Sorgfalt gehandelt haben. Auf der anderen Seite werden die Anforderungen relativiert, indem eine Angemessenheitsprüfung unter Berücksichtigung gewisser Kriterien erfolgen soll.

Die hohen branchenüblichen Standards können derzeit nur wenige Unternehmen erfüllen. Die Kosten für die Einrichtung und die laufenden Betrieb entsprechender Technologien dürften die finanziellen Möglichkeiten der meisten kleineren Plattformen überschreiten.

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die aktuellen Standards sind nicht frei verfügbar und werden fortlaufend weiter entwickelt. Diese technischen Möglichkeiten können nicht ohne Zustimmung Dritter implementiert werden. Datenbanken und Software werden auch vom urheberrechtlichen Nutzungsverbot erfasst.

Die Plattformen werden verpflichtet, hohe Standards einzuhalten, deren Nutzung an technische Möglichkeiten gebunden ist, die ebenfalls dem urheberrechtlichen Nutzungsverbot unterliegen. Sie müssen also, um die hohen Standards zu erfüllen, weitere Lizenzverträge für die Nutzung der Technik abschließen. Die Inhaber der Rechte an der Technik der Uploadfilter sind oft zugleich Konkurrenten. Was soll beispielsweise YouTube veranlassen, einer konkurrierenden Video-Plattform die Technik zur Verfügung zu stellen, die erst den gesetzlich einwandfreien Betrieb erlaubt? Ist es aus Sicht von YouTube nicht sinnvoller, jede mögliche Konkurrenz gar nicht erst aufkommen zu lassen? Plattformen – das beste Beispiel ist MySpace – können durch andere vom Markt verdrängt werden. Wenn YouTube das Entstehen der möglicherweise besseren Konkurrenz verhindern will, ist die Reform ein gutes Mittel hierzu.

Inwieweit dieses Problem im Rahmen der Angemessenheitsprüfung Berücksichtigung finden kann, ist offen. Dort werden als Kriterien u. a. die Verfügbarkeit und Kosten entsprechender Technologien genannt. Man kann argumentieren, dass der „hohe branchenübliche Standard“ derzeit keine Prüfung ist. Üblicherweise fordern Gerichte aber, dass Unternehmen verfügbare Techniken zur Vermeidung von Rechtsverletzungen nutzen müssen, auch wenn diese mit hohen Kosten verbunden sind.

Außerdem bleibt die Verpflichtung, „alle Anstrengungen“ zu unternehmen, um Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Da der Entwurf davon ausgeht, dass der Uploader die Befugnis nicht hat, bleibt auch dies eine ungeklärte Frage. Bieten Verwertungsgesellschaften die Lösung? Sollen die Verwertungsgesellschaften, deren Wahrnehmungsberechtigte vielleicht zu 1 % zu dem genutzten Content beitragen, 100 % der Erlöse erhalten?

Fehlende Lizensierungsmöglichkeiten

Die urheberrechtlichen Verbote sind sehr streng: Die Wiedergabe von Sekundenbruchteilen von aufgenommener Musik, ein Standbild aus einem Film, einige Worte aus einem Text können bereits gegen das Urheberrecht verstoßen. Die Plattformbetreiber müssten diese Verstöße erkennen und entscheiden, ob sie den Upload der Öffentlichkeit zugänglich machen oder nicht.

In manchen Fällen ist die Feststellung, ob die Zugänglichmachung erlaubt oder verboten ist, vergleichsweise einfach. In den meisten Fällen kann jedoch ohne eingehende Untersuchung nicht festgestellt werden, ob die hochgeladenen Daten rechtmäßig oder rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden.

Ein einfaches Beispiel sind Schnapsschüsse wie sie jedes Smartphone anfertigt. An jeder Aufnahme entsteht ein Leistungsschutzrecht. Rechtsinhaber ist derjenige, der die Fotografie angefertigt hat. Wenn eine Fotografie hochgeladen wird, so vereinbart der Uplaoder mit der Plattform, dass die Plattform berechtigt sein soll, die Fotografie anzuzeigen (die oben angesprochene Befreiung, Lizenz). Dies soll nicht unterbunden werden.

Der Zweck der Haftung und der Änderung der Richtlinie liegt darin, unberechtigten Uploads zu erkennen und zu unterbinden. Auf die Behauptung des Uploaders, er sei berechtigt, die Dateien öffentlich zugänglich zu machen, soll der der Plattformbetreiber sich nicht verlassen dürfen (sonst wäre die Regelung unsinnig).

Die Zustimmung des Uploaders hilft der Plattform dann nicht weiter, wenn die Fotografie von einer anderen Person angefertigt wurde. In diesem Fall kann der Uploader der Plattform keine wirksame Befreiung von dem Verbot erteilen. Die Plattform handelt dann rechtswidrig. Die Plattform kann bei Fotografien auch mit Filtern nur dann positiv feststellen, dass die Anzeige der Fotografie erlaubt ist, wenn sie das Bild mit einer Datenbank abgleichen kann und sich aus der Datenbank ergibt, dass eine Befreiung (Lizenz) vorliegt bzw. erworben werden kann.

Bei den eigentlichen Werken im Sinne des Urheberrechts wird es noch schwieriger, weil das Urheberrecht nicht nur die exakte Kopie verbietet, sondern oft auch Bearbeitungen oder Interpretationen. Noch problematischer wird es bei Bildern im Bild. Wer sein Weihnachtsgeschenk, einen Fotokalender, stolz auf Facebook zeigt, verstößt in der Regel gegen das Urheberrecht.

Bei Musik (Kompositionen) bestehen insoweit geringe rechtliche Probleme, weil diese von Haus aus für die Nutzung in diversen Medien (insbesondere Radio oder Fernsehen) gegen Zahlung eines Entgelts an eine Verwertungsgesellschaft freigegeben wird. Bei Texten, Filmen oder Fotografien ist das nicht der Fall. Die Rechte an den meisten Fotografien, vermutlich an nahezu allen, werden nicht in eine Verwertungsgesellschaft eingebracht.

Das Problem könnte über eine gesetzliche Schranke gelöst werden. Aber dass es zu einer solchen Schranke kommen wird, kann als nahezu ausgeschlossen angesehen werden, denn dann könnte man die neuesten Filme und Bücher gegen eine Pauschalabgabe online zur Verfügung stellen. Bei Filmen würde eine solche Freigabe gegen Pauschalabgabe die Verwertungskette Kino, DVD, Pay-TV hin zum freien Fernsehen durcheinander bringen. Und dass Verlage ihre neuen Bücher anstelle eines Preises von 10 oder 20 Euro für eine Pauschale von einigen Cent freigeben werden, kann als ausgeschlossen angesehen werden. Das bedeutet aber auch, dass es Pauschallizenzen für Filme und Texte nicht rechtssicher geben wird.

Damit hat die Plattform bei Texten, Filmen oder Bildern nur die Möglichkeit, keine Uploads zuzulassen oder potentiell gegen das Urheberrecht zu verstoßen. Eine Befreiung setzt u. a. die Einhaltung der hohen Standards voraus. Die Plattformen werden außer bei reiner Musik praktisch immer der Gefahr ausgesetzt sein, rechtswidrig zu handeln.

Lizenzerteilung vom Unberechtigten?

Das Problem wurde bei der Ausarbeitung zu dem Entwurf der Reform erst spät erkannt. Als Lösung ist die Idee entstanden, Verwertungsgesellschaften könnten die Befreiungen (gegen Entgelt an die Verwertungsgesellschaft) erteilen, auch wenn die Verwertungsgesellschaften von den Rechtsinhabern hierzu keine Befugnis erteilt haben. Es handelt sich damit um eine Erlaubnis eines Nichtberechtigten, die zunächst gegenüber dem Berechtigten wirksam zu sein scheint. Das ist ein ausgesprochen eigenartiges Manöver, denn an sich müssten die Verwertungsgesellschaften natürlich ebenso Befreiungen vom Berechtigten erwerben wie die Plattformen.

  • Für Filme, Texte, Aufnahmen oder Bilder müsste jemand verbindliche Positivlisten und Negativlisten führen. Außerdem müssten einzelne Fragmente wie Standbilder aus einem Film, kurze Sequenzen von Tonaufnahmen oder kurze Textabschnitte erkannt und mit die Listen abgeglichen werden. So ein Abgleich mag bei Tonaufnahmen, Musik, funktionieren. In den anderen Bereichen dürfte dies kaum möglich sein; bei Texten dürfte es bereits daran scheitern, dass auch die Kopien von kurzen Textpassagen verboten sein können (elf Worte können nach dem EuGH genügen), so dass die Ausnahme des Zitats gesetzlich vorgesehen ist. Wie nun halbwegs plausibel unterschieden werden soll, ob ein zulässiges Zitat oder eine verbotene Kopie vorliegt, lässt sich kaum mit einem Filter feststellen.
  • In der Regel haben die Verwertungsgesellschaften keine Online-Wahrnehmungsrechte für die unterschiedlichen Produkte, teilweise fehlen entsprechende Verwertungsgesellschaften vollständig. Da das Urheberrecht als Kulturunterbindungsgesetz konzipiert ist und für jede sogenannte Nutzung (öffentliche Zugänglichmachung) eine Befreiung von dem Verbot notwendig ist, wenn man rechtmäßig handeln will, besteht also das von vielen monierte Problem: Wo kann man die Befreiung von dem Verbot rechtssicher erhalten, denn wenn man keine wirksame Befreiung hat, gilt das Verbot.
  • Wenn Videomaterial einbezogen wird, dürfte es den Granden in den Verwertungsgesellschaften möglicherweise auch nicht sonderlich zusagen, wenn sie einen ganz erheblichen Teil der Einnahmen an YouTube-Stars ausschütten müssten. Ein Herr Gronkh erreicht mit einem einzelnen Video vielleicht nicht so viele Zuschauer wie der neueste Film aus einem großen Filmstudio. Aber er produziert drei oder vier Filme tagtäglich, nicht einen, zwei oder drei im Jahr. Seine Einnahmen müssten die der großen Verlage bei weitem übersteigen. Allerdings erteilt er unmittelbar eine Lizenz, so dass sich die Frage stellt, ob parallel dazu Pauschalabgaben an die Verwertungsgesellschaften gezahlt werden sollen. Oder sollen die Abgaben an die Verwertungsgesellschaften nur für rechtswidrige Uploads gezahlt werden, die eigentlich gefiltert werden sollen?
  • Es dürfte schließlich interessant werden, mit welchen Verteilungsschlüsseltricks die aktuellen Befürworter der Reform, die in den Gremien der Verwertungsgesellschaften sitzen, sich doch den Großteil des Einnahmen von YouTube etc. sichern werden. Der Großteil müsste nämlich an andere ausgeschüttet werden. Heutzutage überlässt YouTube offenbar den Hauptteil der Erlöse den Rechtsinhabern der Musik, wenn einige Takte Musik in einem Video zu hören sind. Spätestens mit der Lizenzerteilung von den (teilweise unberechtigten) Verwertungsgesellschaften müsste der Großteil der Erlöse aber an die Videoproduzenten, Textschreiber, Hobbyknipser etc. fließen. Wenn einige Takte Musik im Hintergrund eines Videos zu hören sind, dürfte die die GEMA von den Erlösen des Videos vielleicht 0,5 % verlangen (und nicht 100 %, wie es die derzeit übliche Praxis ist).

Die gesamte Konzeption ist also unausgegoren, denn derzeit ist nicht ersichtlich, wie sie überhaupt praktikabel durchgeführt werden soll. Wenn keine wirksame Befreiung vorliegt, gilt das Verbot.

Keine Zensur

Eine Zensur ist mit der Neuregelung nicht beabsichtigt. Genauso wenig bedeuete sie das Ende des Internets. Allerdings werden die bedürftigen Künstler, die regelmäßig als Requisite aufgefahren werden, wenn es um Verschärfungen des Urheberrechts geht, auch keine nennenswerten Vorteile erfahren. Hingegen sind bei den gewerblichen Rechteverwertern die Hoffnungen hoch. So dürften große Unternehmen wie BMG oder Sony auf einige 100 Mio. Euro mehr im Jahr hoffen, dies ohne irgend eine zusätzliche Leistung erbringen zu müssen (abgesehen von der Lobbyarbeit).

Aber auch wenn keine Zensur beabsichtigt ist, werden die Möglichkeiten der Meinungsäußerung im Internet über die Plattformen stark eingeschränkt werden. Die Folgen können also durchaus drastisch sein, weil im durchaus nicht unwahrscheinlichen Fall selbst Plattformen wie Twitter betroffen sein können, auch wenn dort nur kurze Texte zugelassen sind.

Stärkung der Position der Marktführer

Der Entwurf wird die Position der großen Plattformen weiter stärken, die derzeit nur schwer angreifbar ist. Im Software- und Internetbereich hat man es mit steigenden Skalenerträgen zu tun. Mehr Nutzer – egal ob Konsumenten, Uploader oder Werbetreibende – verursachen nur geringe Mehrkosten. Eine Verzehnfachung der Nutzerzahlen wird nicht zu zu einer Verzehnfachung der Kosten führen, da der Großteil der Kosten Fixkosten für die Entwicklung der Software sind. Das führt dazu, dass die Kosten je Nutzer bei den großen Plattformen deutlich geringer sind als bei den kleinen Plattformen.

Die kleinen Plattformen haben nur Nischenchancen, weil durch Netzwerkeffekte die großen Plattformen für nahezu alle Nutzer interessanter sind. Durch die Uploadfilter werden den kleinen Plattformen und den Neueinsteigern hohe zusätzliche Kosten aufgebürdet. Während bisher der Markteintritt theoretisch vergleichsweise günstig ist, neben der mietbaren Hardware ist geeignete Software dank OpenSource-Projekten verfügbar, ist bislang keine geeignete Filtertechnik a) überhaupt verfügbar und was vorhanden ist, ist b) in den Händen der Großen. Es kann natürlich sein, dass z. B. YouTube seine Filtertechnologie kleinen Plattformen zur Verfügung stellt, etwa um im Gegenzug an deren Daten zu kommen oder um diese experimentieren zu lassen. Zeigen sich interessante Ergebnisse, kann man die Plattform aufkaufen und so seine Position weiter stärken.

Die höheren Fix- und Betriebskosten verschlechtern also die Position der kleinen und Neueinsteiger nochmals. Sie müssen zusätzliche Kosten auf die sowieso schon geringere Nutzerzahl verteilen, so dass die meisten Projekt damit von Haus aus sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen werden.

Lösungsmöglichkeiten

Die Kritik an manchen Plattformen ist nicht unberechtigt. Vergleicht man Zeitungen, Radiosender oder das Privatfernsehen, so sind diese Gewerbe einerseits mit Kosten, andererseits mit Einnahmen verbunden. Sie müssen für den content bezahlen und erzielen einen Großteil der Einnahmen mit der Werbung. Beides ist in einem Medium verbunden: Wer die Zeitung kauft, erwirbt zugleich die Anzeigen, wer Radio hört, hört auch die Werbung. Durch das Internet ist die Einheit des Mediums – Inhalt und Werbung – aufgespalten worden. Viele Werbe- und Anzeigemöglichkeiten (Immobilien, Bekanntschaften, Miete, Stellenmarkt, gebrauchte KFZ etc.) haben sich in das Internet verlagert. Die Einnahmemöglichkeiten sind weggebrochen; die Kosten für den Inhalt jedoch nicht.

Viele Plattformen haben sich die Zeitung angesehen. Mit der Werbung wird Geld verdient, eigene Inhalte zu erstellen kostet. Sie haben sich den Teil herausgegriffen, der Einnahmen bringt. Das Erstellen der Inhalte überlassen sie den Nutzern, die ausgesprochen vielfältigen Inhalt (Kochrezepte, Nähtipps, experimentelle künstlerische Projekte usw.) produzieren und die Möglichkeit nutzen, sich unentgeltlich und einfach in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Alternative, sich bei Verlagen zu bewerben, um mit viel Aufwand und Glück bei geringer Entlohnung sich in einem Verlagsprodukt zu präsentieren, sind vergleichsweise unattraktiv. Wissenschaftliche Verlage bezahlen beispielsweise in der Regel noch schlechter als YouTube, nämlich gar nichts oder sie verlangen einen Druckkostenzuschuss. Der Großteil würde überhaupt nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken und damit nicht stattfinden. Das, was nach der Zielsetzung der Reform stattfinden soll, soll möglichst über die klassischen Verlage abgewickelt werden, weil nur sie die notwendigen Informationen für die Uploadfilter technisch nutzbar zur Verfügung stellen können. Wer außerhalb dieser Strukturen tätig sein will, wird kaum noch registriert werden.

Sicherlich ist der Großteil der produzierten Beiträge für die meisten Rezipienten belanglos, aber das ist der Großteil des Inhalts der Tageszeitung auch (sie wird nicht ohne Grund am nächsten Tag durch neue hauptsächlich ebenso belanglose Beiträge ersetzt).

Das Internet ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation und des Konsums von Verlagsprodukten, sondern zu einem Bestandteil der Entfaltung der Persönlichkeit und Meinungsäußerung geworden. Diese Möglichkeit wird über die Plattformen allen geboten, die sie dazu nutzen wollen. Diese erst mit dem Internet gewonnenen Möglichkeiten werden durch die Reform in Gefahr gebracht.

Sinnvolle Lösungsmöglichkeiten sind derzeit nicht ersichtlich. Die Rechteverwerter haben mit einem hausgemachten Problem zu kämpfen: Sie haben ständig auf Verschärfungen des Verbots gedrungen. Solange an der Idee des geistigen Eigentums mit den strengen Nutzungsverboten, von denen man sich durch Lizenzen befreien kann, festgehalten wird, ist keine befriedigende Lösung möglich. Pauschallizenzen für Filme oder Texte werden von Verlagen oder Filmproduzenten auf das Äußerste bekämpft werden. Bei Büchern würde dies beispielsweise auf eine Zahlung von bestenfalls einigen Cents je Buch hinauslaufen, eher weniger. Chancen, dass sich Pauschallizenzen außerhalb der Massenprodukte wie Musik oder Zeitungsartikel durchsetzen lassen, bestehen derzeit nicht. Die immer wieder ins Spiel gebrachten block-chain-Ideen sind meiner Meinung nach eine Perversion, die den Menschen als kommunikatives Wesen vollständig zu einer Melkkuh degradieren, der für jede qualifizierte Äußerung an einen Rechtsinhaber ein Entgelt (mittelbar) zahlen soll.


Eckhard Höffner 2019/03/22 20:06

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