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geschichte:griechen [2017/09/29 15:48] eckhardgeschichte:griechen [2017/09/29 15:56] eckhard
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 Gedanken über ein dem Eigentum vergleichbaren Recht am Wissen waren Platon fremd. Im Siebten Brief beschwerte Platon sich über die Schriftsteller, die über seine Gedanken etwas verfassen, denn seine schriftlichen oder mündlichen Äußerungen sollten doch am besten von ihm stammen. Es schmerze ihn arg, dass seine Gedanken entstellt in die Welt hinausgeschrieben worden seien. Es ging ihm jedoch nur um die zutreffende Wiedergabe, nicht um eine Inhaberschaft der Gedanken.  Gedanken über ein dem Eigentum vergleichbaren Recht am Wissen waren Platon fremd. Im Siebten Brief beschwerte Platon sich über die Schriftsteller, die über seine Gedanken etwas verfassen, denn seine schriftlichen oder mündlichen Äußerungen sollten doch am besten von ihm stammen. Es schmerze ihn arg, dass seine Gedanken entstellt in die Welt hinausgeschrieben worden seien. Es ging ihm jedoch nur um die zutreffende Wiedergabe, nicht um eine Inhaberschaft der Gedanken. 
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-In dem Brief schildert er ferner, dass er auf Sizilien einen Vortrag bei Dionysios II. von Syrakus gehalten habe. Später habe Dionysios die von Platon gehörten Gedanken niedergeschrieben, als wenn es sein eigenes System gewesen wäre.((Platon S.~341.)) Platon beschäftigte sich aber nicht weiter mit dem Plagiat in dem Sinne, dass ihm ein Unrecht getan oder ihm etwas genommen worden sei. Gegen die Vereinnahmung der von ihm vorgetragenen Gedanken unter Verleugnung seiner geistigen Urheberschaft wendete er sich nicht, auch wenn dieser Eindruck auf den ersten Blick entstehen kann. Wenn Dionysios seine Gedanken durch die Schrift als sein Eigentum ausgeben wolle, sei dies Prahlerei, so schreibt er zwar.((Platon S.~344)) Seine Kritik war aber nicht gegen das Übernehmen der Gedanken und Ideen gerichtet. In der Schrift trete vielmehr ein verachtenswürdiges Geltungsbedürfnis zutage, weil kein gesunder vernünftiger Grund existiere, überhaupt einen Text über die höchsten und wichtigsten Fragen des Universums zu veröffentlichen. Für die Schreiberei über solche Wahrheiten, völlig unabhängig, von wem die Gedanken stammen, gäbe es keine haltbaren Entschuldigungsgründe. Die höchsten und wichtigsten Fragen könne man nicht in einer Schrift festhalten, sondern nur im dialektischen Gespräch erörtern. Nicht das Behalten der eigenen Erkenntnisse, sondern die angemessene Methode zu deren Vermittlung und der Austausch waren ihm wichtig. Friedell bringt dies im lesenswerten Abschnitt über die Plagiatoren zum Ausdruck: »Sokrates hatte das seltene Glück, in Plato einen ganz skrupellosen Dieb zu finden, der sein Handwerk von Grund aus verstand: ohne Plato wäre er unbekannt.«((Friedell S.~52 (Bd. 1).))  
  
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 +In dem Brief schildert er ferner, dass er auf Sizilien einen Vortrag bei Dionysios II. von Syrakus gehalten habe. Später habe Dionysios die von Platon gehörten Gedanken niedergeschrieben, als wenn es sein eigenes System gewesen wäre.((Platon S.~341.)) Platon beschäftigte sich aber nicht weiter mit dem Plagiat in dem Sinne, dass ihm ein Unrecht getan oder ihm etwas genommen worden sei. Gegen die Vereinnahmung der von ihm vorgetragenen Gedanken unter Verleugnung seiner geistigen Urheberschaft wendete er sich nicht, auch wenn dieser Eindruck auf den ersten Blick entstehen kann. Wenn Dionysios seine Gedanken durch die Schrift als sein Eigentum ausgeben wolle, sei dies Prahlerei, so schreibt er zwar.((Platon S.~344)) Seine Kritik war aber nicht gegen das Übernehmen der Gedanken und Ideen gerichtet. In der Schrift trete vielmehr ein verachtenswürdiges Geltungsbedürfnis zutage, weil kein gesunder vernünftiger Grund existiere, überhaupt einen Text über die höchsten und wichtigsten Fragen des Universums zu veröffentlichen. Für die Schreiberei über solche Wahrheiten, völlig unabhängig, von wem die Gedanken stammen, gäbe es keine haltbaren Entschuldigungsgründe. Die höchsten und wichtigsten Fragen könne man nicht in einer Schrift festhalten, sondern nur im dialektischen Gespräch erörtern. Nicht das Behalten der eigenen Erkenntnisse, sondern die angemessene Methode zu deren Vermittlung und der Austausch waren ihm wichtig. Friedell bringt dies im lesenswerten Abschnitt über die Plagiatoren zum Ausdruck: »Sokrates hatte das seltene Glück, in Plato einen ganz skrupellosen Dieb zu finden, der sein Handwerk von Grund aus verstand: ohne Plato wäre er unbekannt.«((Friedell S.~52 (Bd. 1).)) 
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 Abgeschrieben, kopiert und plagiiert wurde schon in der Zeit des antiken Griechenlands. Der Ruhm der Aphrodite des Praxiteles ließ die Skulptur zu einem der meistkopierten Werke der griechischen Kunst werden. Kopien der griechischen Skulpturen wurden spätestens ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. in der gesamten Antike en gros angefertigt, und schließlich haben die Originale, im Gegensatz zu den in verschiedene Regionen verstreuten Kopien, den Lauf der Zeit selten überstanden.((Hauser S.~109.)) Bei Texten standen und stehen die Historiker vor einem »Trümmerhaufen der uns erhaltenen Literatur«. Sie versuchen anhand von divergierenden Abschriften oder »unbewussten Nachahmungen [...] rückwärts das verlorene Original« zu rekonstruieren.((Stark S.~7.)) Selbst bei den in Stein gehauenen Statuen sind bis auf wenige Ausnahmen zumeist die römischen Arbeiten erhalten.((Furtwängler S.~1.)) Und bis heute kann die Frage, nach welchem Maßstab und welchen Kriterien die Unterscheidung zwischen einem Original und der Kopie eines Originals getroffen werden soll, wie exakt bewusste Kopien das Original überliefern oder ob der Eigenanteil die Kopie zum Original macht, als ungeklärt bezeichnet werden.((Junker/Stähli S.~1 f..))  Abgeschrieben, kopiert und plagiiert wurde schon in der Zeit des antiken Griechenlands. Der Ruhm der Aphrodite des Praxiteles ließ die Skulptur zu einem der meistkopierten Werke der griechischen Kunst werden. Kopien der griechischen Skulpturen wurden spätestens ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. in der gesamten Antike en gros angefertigt, und schließlich haben die Originale, im Gegensatz zu den in verschiedene Regionen verstreuten Kopien, den Lauf der Zeit selten überstanden.((Hauser S.~109.)) Bei Texten standen und stehen die Historiker vor einem »Trümmerhaufen der uns erhaltenen Literatur«. Sie versuchen anhand von divergierenden Abschriften oder »unbewussten Nachahmungen [...] rückwärts das verlorene Original« zu rekonstruieren.((Stark S.~7.)) Selbst bei den in Stein gehauenen Statuen sind bis auf wenige Ausnahmen zumeist die römischen Arbeiten erhalten.((Furtwängler S.~1.)) Und bis heute kann die Frage, nach welchem Maßstab und welchen Kriterien die Unterscheidung zwischen einem Original und der Kopie eines Originals getroffen werden soll, wie exakt bewusste Kopien das Original überliefern oder ob der Eigenanteil die Kopie zum Original macht, als ungeklärt bezeichnet werden.((Junker/Stähli S.~1 f..)) 
  
 Name und Werk mussten in Griechenland wie bei den Römern natürlich übereinstimmen, das Werk vom Autor stammen, die Abschrift fehlerfrei sein. Bei Werken der bildenden Kunst lassen sich Signaturen als Zeichen der Individualisierung bis ca. 700 v. Chr. zurückverfolgen.((Hauser S.~74.))  Name und Werk mussten in Griechenland wie bei den Römern natürlich übereinstimmen, das Werk vom Autor stammen, die Abschrift fehlerfrei sein. Bei Werken der bildenden Kunst lassen sich Signaturen als Zeichen der Individualisierung bis ca. 700 v. Chr. zurückverfolgen.((Hauser S.~74.)) 
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-Hohes Ansehen genossen die bildenden Künstler in der römischen Antike jedoch nicht. Sie arbeiteten, das war bereits der erste Makel, in einer Zeit, in der die männliche Oberschicht regierte, befahl, Krieg führte, über Sklaven, Frauen und Kinder herrschte und in der Freizeit sich sportlich im Wettkampf bewies. Die Künstler arbeiteten körperlich, machten sich die Hände schmutzig – wie die Sklaven – und schließlich, sie nahmen ein Entgelt, mussten sich also ihren Lebensunterhalt mit unehrenhafter Arbeit verdienen. Der professionelle Künstler wurde vom Handwerker nicht unterschieden. Damit konnte kein Prestige gewonnen werden, weder bei der kriegerischen Führungsschicht der Griechen oder Römer, noch in der in etwa ab Augustus beginnenden Geldwirtschaft Roms, auch wenn in der späten Kaiserzeit das dilettierende Malen zu einer in den höchsten Schichten anzutreffenden Freizeitbeschäftigung wurde. Die artes liberales wurden als Lehre, nicht als Kunst verstanden.((May S.~262 f.)) Die Dichter konnten ein höheres Ansehen erlangen, als Gast der Führungsschicht, nicht als minderwertiger Lohnabhängiger, dies aber nur, wenn sie kein Entgelt forderten, also aus Muße, für die eigene Ehre, bestenfalls für ein Honorarium oder einen Ehrensold eines reichen Gönners schrieben.((Schickert S.~13--19; Wittmann S.~14; Bappert S.~13; Károly Visky, Geistiges Eigentum der Verfasser im antiken Rom. UFITA 106 (1987), 17–33.)) Wenn die Urheberschaft zutreffend angegeben war, förderten Kopien oder weitere Abschriften das Ansehen des Autors, waren also vorteilhaft.  
  
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 +Hohes Ansehen genossen die bildenden Künstler in der römischen Antike jedoch nicht. Sie arbeiteten, das war bereits der erste Makel, in einer Zeit, in der die männliche Oberschicht regierte, befahl, Krieg führte, über Sklaven, Frauen und Kinder herrschte und in der Freizeit sich sportlich im Wettkampf bewies. Die Künstler arbeiteten körperlich, machten sich die Hände schmutzig – wie die Sklaven – und schließlich, sie nahmen ein Entgelt, mussten sich also ihren Lebensunterhalt mit unehrenhafter Arbeit verdienen. Der professionelle Künstler wurde vom Handwerker nicht unterschieden. Damit konnte kein Prestige gewonnen werden, weder bei der kriegerischen Führungsschicht der Griechen oder Römer, noch in der in etwa ab Augustus beginnenden Geldwirtschaft Roms, auch wenn in der späten Kaiserzeit das dilettierende Malen zu einer in den höchsten Schichten anzutreffenden Freizeitbeschäftigung wurde. Die artes liberales wurden als Lehre, nicht als Kunst verstanden.((May S.~262 f.)) Die Dichter konnten ein höheres Ansehen erlangen, als Gast der Führungsschicht, nicht als minderwertiger Lohnabhängiger, dies aber nur, wenn sie kein Entgelt forderten, also aus Muße, für die eigene Ehre, bestenfalls für ein Honorarium oder einen Ehrensold eines reichen Gönners schrieben.((Schickert S.~13--19; Wittmann S.~14; Bappert S.~13; Károly Visky, Geistiges Eigentum der Verfasser im antiken Rom. UFITA 106 (1987), 17–33.)) Wenn die Urheberschaft zutreffend angegeben war, förderten Kopien oder weitere Abschriften das Ansehen des Autors, waren also vorteilhaft. 
  
 Der auch heute für die Übernahme von Ideen geläufige Begriff Plagiat (von lat. plagium, Seelendiebstahl, oder griech. plagios, unredlich) geht auf einen im 1. Jahrhundert n. Chr. lebenden Römer zurück: Fidentinus gab die Werke Martials als seine eigenen aus, woraufhin Martial ihn als »plagiarius« (Menschenräuber) oder »fur« (Dieb) beschimpfte.((Renouard S.~16; Mumby S.~11; Harum S.~1; Gieseke S.~2 f.; de la Durantaye, Rn. 96.)) In der Literatur wird meistens und oft nur Martial zitiert. Dies zeigt mittelbar die geringe Bedeutung dieser Frage im klassischen Rom. Es war kein bedeutendes Thema, sondern mehr oder weniger eine persönliche Frage dieser einen Person. Jedoch wurde trotz des Begriffs Dieb, der nahelegt, dass es einen rechtmäßigen Inhaber gibt, in der Antike ein gesondertes Recht am Werk nicht anerkannt. Ein entsprechendes Recht war im römischen Recht unbekannt, obwohl die unkörperliche Sache (res incorporalis) in der juristischen Literatur des antiken Rom bereits verwendet wurde und das Abstraktionsprinzip ein gesondertes Eigentum daran möglich gemacht hätte.((Renouard S.~16; Gierke S.~751; Schickert S.~103--105; de la Durantaye, Rn. 163 ff.; Drahos S.~18.))  Der auch heute für die Übernahme von Ideen geläufige Begriff Plagiat (von lat. plagium, Seelendiebstahl, oder griech. plagios, unredlich) geht auf einen im 1. Jahrhundert n. Chr. lebenden Römer zurück: Fidentinus gab die Werke Martials als seine eigenen aus, woraufhin Martial ihn als »plagiarius« (Menschenräuber) oder »fur« (Dieb) beschimpfte.((Renouard S.~16; Mumby S.~11; Harum S.~1; Gieseke S.~2 f.; de la Durantaye, Rn. 96.)) In der Literatur wird meistens und oft nur Martial zitiert. Dies zeigt mittelbar die geringe Bedeutung dieser Frage im klassischen Rom. Es war kein bedeutendes Thema, sondern mehr oder weniger eine persönliche Frage dieser einen Person. Jedoch wurde trotz des Begriffs Dieb, der nahelegt, dass es einen rechtmäßigen Inhaber gibt, in der Antike ein gesondertes Recht am Werk nicht anerkannt. Ein entsprechendes Recht war im römischen Recht unbekannt, obwohl die unkörperliche Sache (res incorporalis) in der juristischen Literatur des antiken Rom bereits verwendet wurde und das Abstraktionsprinzip ein gesondertes Eigentum daran möglich gemacht hätte.((Renouard S.~16; Gierke S.~751; Schickert S.~103--105; de la Durantaye, Rn. 163 ff.; Drahos S.~18.)) 

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